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Sind Vorstellungsrunden notwendig oder Zeitverschwendung bei Workshops & Seminaren?

In der Podcast-Episode 177 sprechen wir darüber, ob eine Vorstellungsrunde bei Workshops und Seminaren notwendig für den Vertrauensaufbau oder nur ein Zeiträuber ist.

Ich erkläre die Vorteile und Nachteile von Vorstellungsrunden, die man ja oft bei Workshops und Seminaren am Anfang macht. Danach werden Sie sicherlich bewusster an Ihre Planung der ersten 30 Minuten in einem Seminar oder einem Workshop herangehen.

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Bevor wir loslegen:

Von 09. bis 11. September 2024 gibt es wieder den Online-Kongress "Pioniere der Prävention".
Dieses Jahr mit dem vollen Fokus auf Gesprächsführung. Das Motto ist: "Gespräche gezielt gestalten".
Sie können sich gerne bereits in die Warteliste eintragen unter pionierederpraevention.com/kongress .

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Warum rede ich heute über dieses Thema?

Ich habe letztes Jahr einen Workshop gegeben mit dem Namen "Motivation für Prävention". Das war ein Präsenz-Workshop in Wien für Akademie-Mitglieder und Leute auf meiner Newsletter-Liste. Und dort habe ich keine Vorstellungsrunde gemacht. Nachher wurde ich gefragt, warum ich das eigentlich nicht gemacht habe, mit den Worten: "Das macht doch jeder, wahrscheinlich eh oft um Zeit zu schinden."

Und derzeit habe ich auch mit einem Kollegen gesprochen, der oft vorträgt und der sich meinen Tipp zu mehr Breakout-Räumen bei Webinaren zu Herzen genommen hat. Er hat gesagt, dass es viel besser ist mit diesen Breakout-Räumen zu arbeiten als langweilige Vorstellungsrunden im großen Stil zu machen.

Warum ist das Thema wichtig?

Vorstellungsrunden sind oft normal. In den meisten Seminaren und Workshops, die ein bisschen länger dauern, macht man diese am Anfang eigentlich immer.

Natürlich ist es wichtig für den Vertrauensaufbau, zu wissen, mit wem man da eigentlich in einem Raum sitzt. Sowohl bei offenen Seminaren, wo Leute aus unterschiedlichsten Firmen zusammenkommen als auch bei größeren Firmen, wo Leute aus verschiedenen Abteilungen teilnehmen, ist es relevant, zu wissen, wer noch da ist und welchen Hintergrund die anderen Menschen haben.

Vielleicht auch, damit man als TeilnehmerIn ein Gespür dafür bekommt, was man offen äußern kann. Und auch, dass man mal alle Stimmen gehört hat. Das macht den Vertrauensaufbau aus.

Wo man vorsichtig sein muss:
Wenn Sie z.B. ein Ganztagesseminar moderieren, dann möchten Sie ja nicht schon nach einer halben Stunde den Eindruck erwecken, dass Sie immer die falschen Prioritäten setzen und nur Zeit schinden wollen, weil Sie keine Inhalte bringen können.

Aber auch wenn ein Workshop kürzer dauert, z.B. 3 Stunden, dann ist die Zeitplanung extrem wichtig (Stundenbild). Und da kann man nicht schon 20 Prozent der Zeit mit einer langen Vorstellungsrunde verbringen. Weil bei - nehmen wir an - 10 Teilnehmenden kann das locker schon mal 30 min. dauern (oder 45 min. bei 15 TeilnehmerInnen). Und ich finde: Das geht nicht!

Denn es gibt viele andere Möglichkeiten, die Ziele zu erreichen. Also z.B. das Ziel Vertrauen aufzubauen, ein gutes Kennenlernen zu schaffen, ...

Wann mache ich Vorstellungsrunden?

Ich mache dann Vorstellungsrunden, wenn ... 

  1. ... es keine andere Möglichkeit gibt für viel Interaktion und sich alle kennen müssen für das Seminar oder den Workshop. Also, wenn das relevant ist für spätere Übungen oder den Inhalt. 

  2. ... die TeilnehmerInnen sehr formell sind, also wenn es sich z.B. um hohe Führungskräfte handelt und ich weiß, dass es ihnen wichtig ist, dass sie sich profilieren können vor anderen Personen (z.B. dass sie vor anderen sprechen können, die ganze Aufmerksamkeit auf ihnen liegt, ...).

  3. ... genug Zeit ist (z.B. 1,5 - 2 Tage) und max. 10 Personen teilnehmen.

  4. ... sich die TeilnehmerInnen untereinander gar nicht kennen, z.B. bei offenen Seminaren, wo die Leute aus unterschiedlichsten Unternehmen kommen und wenn das Sich-kennen wichtig ist für den Verlauf des Seminars bzw. für die psychologische Sicherheit (z.B. sich zu trauen, etwas zu äußern, ...).

Wann mache ich KEINE Vorstellungsrunden?

Ich mache keinen Vorstellungsrunden, wenn ...

  1. ... es mich inhaltlich nicht weiter bringt. Also wenn z.B. im Laufe eines Seminars oder eines längeren Vortrags überhaupt keine Interaktion notwendig ist zwischen den Teilnehmenden.

  2. ... sich die TeilnehmerInnen ohnehin untereinander kennen und es nur meine Neugierde als ModeratorIn befriedigen würde.

  3. ... es andere Möglichkeiten gibt, meine Ziele zu erreichen. Denn es ist manchmal schöner und aufregender andere Methoden einzusetzen.

Alternativen 

Hier ein paar Möglichkeiten, wie man es anders angehen kann, wenn sich die Teilnehmenden schon untereinander kennen oder ich selbst ein paar Dinge erfahren sollte, um meinen Ablauf des Seminars darauf abzustimmen:

  1. "Positiver Dialog":
    Das ist eine paarweise Übung, bei der sich die Leute paarweise kennenlernen und quasi ein kurzes Interview machen.
    Das kann man so gestalten, dass die TeilnehmerInnen durchwechseln. Also, dass sie sich gegenseitig Fragen stellen, aber nach jeder Frage wird der/die PartnerIn gewechselt. Das heißt, man lernt dann innerhalb dieser Übung zumindest 4, 5 andere Leute kennen, die auch im Raum sind.
    Wenn Sie das interessiert, dann hören Sie rein in die Podcast-Episode 115 "DER Seminar-Fehler, der jede Motivation der Teilnehmenden killt + 1 Lösung dazu".

  2. Gruppenthermometer:
    Das geht schnell, denn: Nicht alle reden hier hintereinander, man kann sich aber trotzdem einsortieren in "Schubladen" (Erfahrungen, Branchen, ...).
    Ich stelle mich da als ModeratorIn in eine Ecke des Raumes, wo eine entsprechende räumliche Möglichkeit gegeben ist, z.B. in der Mitte (Mittelgang zwischen Tischen). Da wird dann eine gedankliche Linie gelegt. Ich selbst stehe bei "0" und gegenüber ist z.B. "unendlich" oder "5 Stunden", je nach dem, was für die Frage passend ist.
    Und dann stelle ich eine Frage, z.B. "Wie lange haben Sie in der Früh hier her gebraucht?" (das ist eine schöne Einstiegsfrage). Und dann sortieren sich die Leute hier eben ein und kommen dabei sehr schnell informell ins Plaudern.
    Für das Gruppenthermometer habe ich mehrere Fragen vorbereitet, die angepasst sind auf die Teilnehmenden bzw. auf den Inhalt des jeweiligen Seminars oder Workshops. Und so werden einige Gruppenthermometer durchgemacht, in denen sich die Leute eben entsprechend aufstellen. Ich lasse dann meistens jene, die auf den Extrempunkten stehen, kurz ihre Antworten auf die Frage sagen und picke mir dann noch 1 oder 2 andere TeilnehmerInnen raus. So, dass am Schluss jede:r einmal kurz etwas zu mir gesagt hat.
    Das ist ein guter Einstieg für Präsenz-Seminare. Für Online-Webinare kann man es ähnlich verwenden, nur muss man es da etwas anders gestalten (z.B. auf einem virtuellen Whiteboard markieren lassen).

  3. Vorstellungsrunden in Kleingruppen:
    Das geht auch virtuell sehr gut. Da kann man die Leute in Breakout-Sessions schicken, wo sie zu 3. oder 4. sind und bestimmte Fragen beantworten sollen. So haben die Leute schon persönliche Kontakte geknüpft, aber nicht jede:r braucht allen zuzuhören.
    Das ist dann relevant, wenn ich eine gewisse psychologische Sicherheit haben möchte innerhalb der Gruppe, aber ich nicht alle Informationen über die Teilnehmenden benötige oder nicht alle TeilnehmerInnen von allen anderen die Antworten hören müssen.
    Diese Vorstellungsrunden in Kleingruppen passen auch gut, wenn Gruppen größer sind, z.B. bei über 20 Leuten.

  4. Start mit gemeinsamen Mittagessen und Übungen an Tisch-Gruppen:
    Das habe ich für den oben erwähnten Präsenz-Workshop letztes Jahr gewählt. Dieser hat mit einem gemeinsamen Mittagessen an 3 kleinen Tischen stattgefunden. Dadurch konnten die Leute schon automatisch an ihrem Tisch Kontakt zu anderen TeilnehmerInnen knüpfen. Das war ein schöner, sanfter Einstieg.
    Anschließend gingen wir in den Seminarraum, wo auch Tischgruppen aufgestellt waren, an denen wir unter anderem auch Übungen gemacht haben. Wir haben da aber gleich mit Inhaltlichem losgelegt.
    Das heißt, die Leute hatten die Möglichkeit mit unterschiedlichsten Personen in Kontakt zukommen, einmal beim Mittagessen und einmal an den Tischgruppen im Seminarraum.
    Es war hier nicht notwendig für die ganze Gruppe eine entsprechende psychologische Sicherheit herzustellen, da die TeilnehmerInnen nicht vor der ganzen Gruppe irgendwelche Unsicherheiten, ... preisgeben mussten. Das war nicht eingeplant. Deswegen brauchte ich keine große Vorstellungsrunde. Ich selbst habe ohnehin fast alle TeilnehmerInnen gekannt, von dem her war es für mich auch nicht notwendig, hier die Leute offiziell kennenzulernen.

Meine Beispiele

Beispiel 1:

Immer eine Vorstellungsrunde mache ich, wenn ich einen Workshop zur Evaluierung psychischer Belastungen (Maßnahmenworkshop) abhalte. Da habe ich oft das Problem, dass die TeilnehmerInnen aus einer Abteilung kommen. Das heißt, sie kennen sich alle untereinander, nur ich kenne sie nicht. So leite ich dann aber auch immer ein: "Es tut mir leid, dass wir jetzt eine Vorstellungsrunde machen. Ich weiß, Sie kennen sich untereinander. Wir machen es auch ganz schnell." Und dann stelle ich den Leuten 3 konkrete Fragen:

  1. Wie lange arbeiten Sie schon im Betrieb?

  2. Wie lange arbeiten Sie schon an dieser Position?

  3. Was unterscheidet Ihre Tätigkeit von der Tätigkeit der anderen TeilnehmerInnen?

Ich frage nicht mal nach dem Namen! Warum? Weil sie diesen meist ohnehin selbstständig nennen. Und weil bei einem solchen Workshop zur Evaluierung psychischer Belastungen am Ende des Tages die ganze Sache ohnehin anonym bleibt. Das heißt, im Protokoll stehen keine Namen. Also muss ich mir auch nicht alle Namen merken. Ich kann die Teilnehmenden ja direkt anschauen und ansprechen. Damit spare ich mir auch diese Frage einfach. Ich versuche, die Vorstellungsrunden so effizient wie möglich zu halten.

Beispiel 2:

Ich halte regelmäßig ein 1,5tägiges Online-Seminar für angehende ArbeitsmedizinerInnen im Rahmen eines Lehrgangs zum Thema "Evaluierung psychischer Belastungen" (Modul 6). Das heißt, die TeilnehmerInnen kennen sich schon sehr lange, diese sind i.d.R. schon ein halbes Jahr oder noch länger gemeinsam in diesem Lehrgang, wo es auch schon Präsenz-Einheiten gab.

Natürlich ist es gut, dass sich die Leute hier ein bisschen aufwärmen und zum Reden beginnen zu Beginn des Seminars. Damit sie auch wirklich wissen, dass das nun interaktiv wird und ich keinen Frontalvortrag halte. Aber die Teilnehmenden kennen sich schon gut. Deswegen mache ich das online so:

  1. Umfrage:
    Ich starte mit einer kleinen Umfrage, nämlich wie viel Erfahrung die TeilnehmerInnen theoretisch und praktisch mitbringen zu diesem Thema und ich stelle ihnen auch eine kleine Umfrage zusammen, wo sie aus 10 psychischen Belastungen auswählen sollen, welche sie davon aus ihrem eigenen Arbeitsalltag kennen.
    Da reicht mir die Umfrage, damit ich dann weiß, wie viel Prozent haben welche psychischen Belastungen. Das ist nur ein Einstieg, damit sie ein Gespür dafür bekommen, was psychische Belastungen eigentlich sind und schon mal eine kleine Liste vor sich haben. Und ich kann dann im Laufe dieser 1,5 Tage auch immer wieder auf das Ergebnis der Umfrage referenzieren.

  2. Erwartungsabfrage in Kleingruppen:
    Ich stelle hier den Teilnehmenden die Frage: "Was wollen Sie sich aus den 1,5 Tagen mitnehmen?" Diese Frage stelle ich deshalb, weil die angehenden ArbeitsmedizinerInnen unterschiedlich viel Vorerfahrung und damit auch unterschiedliche Fragen zum Thema mitbringen.
    Diese Erwartungsabfrage mache ich aber nicht reihum, da bei diesem Online-Seminar 30 Personen teilnehmen und das entsprechend viel zu lange dauern würde. Daher lasse ich sie das in Kleingruppen machen: Ich schicke sie in eine Breakout-Session (ca. 4 Personen).

Wie ist das bei Ihnen? Machen Sie Vorstellungsrunden: Ja oder nein?
Schreiben Sie mir gerne auf LinkedIn, schicken Sie mir eine Direktnachricht oder ein E-Mail.

Weitere Empfehlungen:

Und wenn Sie das Thema Gesprächsführung interessiert, dann tragen Sie sich schon mal in die Warteliste für den Online-Kongress "Pioniere der Prävention" von 09. bis 11. September 2024 ein, denn da ist unser Motto heuer "Gespräche gezielt gestalten".

Feedback und Fragen an Veronika Jakl:
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Veronika Jakl auf LinkedIn:
Hier geht es zur Online-Akademie "Pioniere der Prävention":
Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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