Schritt 6 im "Fahrplan zum Erfolg": Beratungskompetenz als Kern von wirksamer Prävention
Für manche PräventionsexpertInnen ist es einfacher, vor großen Gruppen zu referieren, als geduldig im Einzelgespräch zu beraten. In diesem finalen Teil der Reihe "Fahrplan zum Erfolg" kümmern wir uns daher um Ihre Kompetenz, Einzelberatungen durchzuführen.
Der "Fahrplan zum Erfolg" ist eine Mini-Serie, bei der es um die 6 Phasen geht, die Fachkräfte in der betrieblichen Prävention benötigen, um tatsächlich erfolgreich zu sein. Zu den ersten 5 Schritten gibt es bereits jeweils einen Blogartikel:
- Schritt 1: Blick über den Tellerrand
- Schritt 2: Klare Positionierung – für sich selbst und für KundInnen
- Schritt 3: Eigene Arbeit bewusst gestalten
- Schritt 4: Strategisches Arbeiten
- Schritt 5: Sich gut präsentieren und überzeugend sein
Mein Start in die Arbeitspsychologie und Selbstständigkeit war früh, nämlich mit 24 Jahren. Zu Beginn bin ich v.a. mitgegangen bei Projekten, habe als Co-Moderatorin geholfen, Workshops vorbereitet oder mit strikten Fragebögen Interviews gemacht.
Es hat gedauert, bis ich mich wirklich getraut habe, Personen tatsächlich zu beraten. Das heißt, auf diese persönlich einzugehen und diesen auch Tipps zu geben. Weil Theorien zu erzählen, ist das eine. Aber sich hinzusetzen, zuzuhören, anderen Ratschläge zu geben oder mit dieser Person Lösungen zu erarbeiten, ist eine ganz andere Hausnummer.
2 Jahre später, als ich 26 Jahre alt war, habe ich zum ersten Mal ein Seminar gehalten mit dem großen Titel "Personalgespräche souverän führen". Meine Ansprechpersonen bei dem Trainingsanbieter waren sehr von mir überzeugt, aber ich selbst war schon ziemlich nervös. Ich habe viele Theorien vorbereitet, viel zu viele Inhalte und ein paar vertiefende Übungen.
An dem Seminar haben nur Führungskräfte teilgenommen und diese wollten von MIR wissen, wie man Personalgespräche souverän durchführt. Obwohl ich selbst NULL Erfahrung als Führungskraft hatte. Die einzige Führungserfahrung, die ich hatte, war aus dem Judo-Kindertraining. Das heißt, ich habe gewusst, wie man einen Haufen 8jähriger Kinder im Kampfsport unterrichtet.
Aber was sich dann – zu meiner Verwunderung - herausgestellt hat: Die Leute wollen, dass man ihnen zuhört! Sie wollen nicht die 5. Theorie lernen. Sie wollen, dass man auf ihre persönliche Situation eingeht und sie berät!
Und das habe ich dann intuitiv gemacht. Ich habe eine 100%ige Weiterempfehlungsquote bekommen und sehr gute Bewertungen von den TeilnehmerInnen (z.B. bei "Teilnehmerorientierung"). Dieses Seminar wurde dann von mir regelmäßig über viele Jahre hinweg gehalten.
Denn was bringt Ihnen das größte Fachwissen, wenn Sie nicht gut beraten können? Beratungskompetenz und eine gute Gesprächsführung sind essentiell für uns in der betrieblichen Prävention! Dabei geht es um Emotionen, Vertrauen, angewandte Psychologie, …
Und darum erfahren Sie in diesem Beitrag, wie Sie Einzelpersonen oder kleine Gruppen gut beraten können, um diesen tatsächlich zu helfen und als kompetente/r BeraterIn wahrgenommen zu werden. Dazu gibt es von mir 3 Tipps!
Das Kernproblem von vielen, die in der Prävention arbeiten, ist: Wir wissen extrem viel, wir haben eine super Grundausbildung gehabt und wir geben gerne fachliche Ratschläge auf Basis von Theorien, Modellen und Erfahrungswissen. ABER: Man muss hier sehr vorsichtig sein. Ratschläge sind nicht immer nützlich! Manchmal ist ein Ratschlag auch eher ein Schlag ins Gesicht.
Warum ist das so?
- Subjektive Realität: Ein Ratschlag spiegelt sehr häufig die persönliche, subjektive Realität von uns ExpertInnen wider. Es kann aber sein, dass das Gegenüber das Gefühl hat, dass wir komplett an dem vorbeireden, wie er/sie die Situation sieht.
- Zweifelt Sinnhaftigkeit bisherigen Verhaltens an: Wenn ich jemanden einen Ratschlag für ein Verhalten in einer bestimmten Situation gebe und das ist ein komplett anderes Verhalten als die Person bis jetzt gezeigt hat, dann zweifle ich damit indirekt die Sinnhaftigkeit von dem bisherigen Verhalten an.
- Stellt BeraterIn als „besserwissend“ dar: Möglicherweise werde ich vom Gegenüber als Besserwisserisch wahrgenommen, wenn ich einen Ratschlag gebe, z.B. ohne sich vorher darüber unterhalten zu haben, wie es der Person geht oder ohne die Situation im Detail erkannt zu haben.
- Ändert oft nichts an innerer Haltung des Gegenübers: Ein Ratschlag ändert hier oft gar nichts. Die innere Haltung ist meistens viel, viel wichtiger.
Ja, Ratschläge sind gut gemeint. Aber manchmal ist das Gegenteil von „gut“ eben „gut gemeint“!
Was können wir also machen, statt kluge Ratschläge aus der Theorie abzuleiten?
1. FOKUS AUF DAS POSITIVE
Fragen Sie nach, was bereits gut funktioniert bzw. funktioniert hat und versuchen Sie, das hervorzuheben. Das verkörpert Wertschätzung und verstärkt damit erwünschtes Verhalten. Es ist wichtig zu loben, was schon alles getan wurde, damit den Menschen auch klar wird, was schon gut funktioniert. Häufig fokussiert man sich nämlich auf das Negative. Machen Sie es anders und fokussieren Sie sich auf das Positive!
Zu diesen Themen gibt es für alle Online-Akademie-Mitglieder Details in dem Kurs "Gesprächsführung im Arbeitsschutz" unter www.pionierederpraevention.com .
2. FOKUS AUF RESSOURCEN
Im Gespräch sollte man sich auch auf die Ressourcen fokussieren. Nehmen Sie hilfreiche Unterstützung und unterstützende Arbeitsbedingungen wahr! Zum Beispiel kann man konkret nachfragen:
- Welche KollegInnen sind hilfreich?
- In welchen Situationen ist es leichter?
- Wann gab es weniger Stress?
Ich begleite viele Organisationen zum Thema, wie man gut im Homeoffice arbeiten kann. In diesem Zusammenhang habe ich immer wieder Workshops mit Beschäftigten und Führungskräften, die verbalisieren, dass Homeoffice schwierig ist und nicht funktioniert. Ich versuche dann durch Fragen (wie z.B. "Erzählen Sie mir bitte einmal eine Situation, in der Sie im Homeoffice wirklich produktiv waren!") herauszuarbeiten, welche Faktoren hilfreich waren. Und so merkt man, welche Ressourcen in dem konkreten Fall schon da sind.
3. BISHERIGE LÖSUNGSANSÄTZE
Im Einzelgespräch kann man auch gut beraten, wenn man sich anschaut, welche Lösungsansätze es denn bisher schon gegeben hat. Das heißt: Was wurde von der Person denn bislang schon probiert? Wie ist das gelaufen?
Vielleicht hat es schon Ansätze gegeben, die zwar in der Vergangenheit noch nicht alles perfekt gelöst haben, die es aber einfacher gemacht haben. Vielleicht kann man dann darauf aufbauen.
Die Herausforderung besteht oft darin positiv zu bleiben, selbst wenn unser Gegenüber "jammert" und beispielsweise sagt: "Das funktioniert alles nicht."
Wichtig ist, hier dann zu versuchen, darüber zu stehen und zwischen den Zeilen rauszuhören, was denn die Dinge waren, die zumindest schon ein bisschen geklappt haben. Natürlich sollte man dann nicht alles klein reden indem man zu verstehen gibt, dass das doch ohnehin alles sehr leicht sei. Man sollte dem Gegenüber schon ehrlich auf Augenhöhe begegnen. Zum Beispiel mit: "Ich kann mir vorstellen, dass das für Sie ganz schwierig sein muss." Man kann dem Gegenüber dann sagen, was man an Ansätzen rausgehört hat. Das herauszubekommen ist ein wichtiger Punkt.
Wenn jemand darauf nicht einsteigt ("Alles was ich bis jetzt probiert habe, hat nicht funktioniert."), dann kann man den Fokus darauf richten, welche Ressourcen es trotzdem gibt, beispielsweise mit Fragen wie:
- Was hat Ihnen geholfen, bis jetzt durchzuhalten?
- Wie haben Sie es geschafft gesund zu bleiben in dieser schwierigen Zeit?
Im Einzelberatungsgespräch ist es für mich sehr wichtig, keine Ratschläge (die man aus der Theorie ableitet) zu geben. Sondern auf dem aufzubauen, was schon da ist.
Mögliche Aufgabe für Sie:
Überlegen Sie, wie Sie selbst Beratungsgespräche empfinden (z.B. beim Einkaufen von Möbeln oder beim Arzt). Mögen Sie es, wenn man schnell eine Standard-Lösung bekommt? Oder wollen Sie lieber, dass man sich hinsetzt und Ihnen zuhört?
Mit diesem Artikel endet die Mini-Serie "Fahrplan zum Erfolg". Geben Sie mir gerne ein Feedback wie Ihnen diese Reihe gefallen hat. Ich freue mich darauf!
Und wenn Sie bereit sind Ihre Beratungskompetenz zu steigern und sich auszutauschen mit einem großen Netzwerk von KollegInnen aus der betrieblichen Prävention, dann schauen Sie gerne vorbei unter www.PioniereDerPraevention.com . Denn um wirklich etwas zu bewegen in Arbeitssicherheit und Gesundheit, braucht es mehr als Fachwissen!
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
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