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6 Stolperfallen bei schriftlichen Befragungen, die Sie unbedingt vermeiden müssen

Es gibt so viel zu beachten und man glaubt ja gar nicht, was alles einen Einfluss hat auf den Rücklauf, die Qualität der Antworten und auch die Auswertung.

In der Podcast-Episode 96 geht es um schriftliche Befragungen wie Feedbackbögen nach Seminaren, psychische Gefährdungsbeurteilungen oder auch Erhebungen zu Präventionskultur. Damit Sie die 6 Stolperfallen kennen und da nicht reinfallen sondern sinnvolle, qualitativ hochwertige Umfragen und Erhebungen machen können!

Ich habe in meinem Leben schon viele Befragungen durchgeführt. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, es waren Hunderte. Hunderte Befragungen mit zig-tausenden Teilnehmenden. Die allermeisten rund um psychische Belastungen in Organisationen, aber auch über Arbeitszufriedenheit, Kündigungsabsichten, Präventionskultur, Seminarfeedback, Home-Office usw.

In so vielen Jahren Arbeitspsychologie kommt einiges zusammen. Und es macht ja auch Spaß und ich hab's im Studium intensiv gelernt. Und natürlich sind da auch Dinge schief gegangen. Obwohl Statistik und Fragebogendesign in jedem Semester von 6 Jahren Psycho-Studium ein Thema waren. Einfach weil es ein richtig komplexes Thema ist.

Deswegen will ich die Podcast-Episode nutzen und Ihnen die größten Stolperfallen aufzeigen, damit Sie nachher bessere Befragungen planen, v.a. wenn Sie das nicht tagtäglich machen.

Warum ist das Thema wichtig?

Eine Befragung ist oft ein großer Aufwand. Das macht man in der Regel nicht öfter als 1-2x im Jahr. Manchmal auch nur alle paar Jahre. Und dann sollte es auch gut sein und was bringen! Aber das ist nicht so leicht.

Warum ist es schwierig?

Es gibt so viel zu beachten und man glaubt ja gar nicht, was alles einen Einfluss hat auf den Rücklauf, die Qualität der Antworten und auch die Auswertung.

Wenn man aber eine gute Befragung konzipiert und auswertet, dann erhält man viele Informationen mit wenig Zeitaufwand für die einzelnen MitarbeiterInnen. Alle können mitmachen. Damit erhält man einen guten Überblick über die Stimmung, die Einstellung, die gefühlte Realität im Alltag in einer Firma. Das ist wirklich ein super Hebel, um danach die Arbeitsbedingungen zu verbessern!

Von dem her bin ich ein großer Fan von schriftlichen Befragungen. Obwohl es viele Stolperfallen und Schwierigkeiten gibt.

Stolperfallen bei schriftlichen Befragungen

1. Die Firma hat keine Idee, was eigentlich gemessen werden soll

Der Klassiker: Eine Firma will eine Befragung machen und sie starten sofort mit der Formulierung von konkreten Fragen, die sie mir dann im Erstgespräch stolz zeigen. Oft ist das ein Sammelsurium von Formulierungen, die sie im Internet gefunden haben, manches ist dann inhaltlich doppelt abgefragt. Dann fehlen wieder andere Aspekte.

Aber grundsätzlich fehlt überhaupt die theoretische Überlegung dahinter: Was soll überhaupt gemessen werden?

2. Die Fragen/Antworten sind uneindeutig formuliert

Beispiel für uneindeutige Frage: "Bekommen Sie Unterstützung durch Ihre Führungskraft?"

Das ist ein Problem in vielen Firmen, weil die Leute nicht nur 1 Führungskraft haben, sondern an mehrere Hierarchieebenen denken! Zum Beispiel TeamleiterIn & AbteilunsgleiterIn.

Beispiel für uneindeutige Antworten: "Ich verrichte im Durchschnitt pro Woche Home-Office an so vielen Tagen O 3 bis 4 Tage / O 2 bis 3 Tage / O 1 bis 2 Tage / O 1 Tag / O 0 Tage"

Wenn man nun als MitarbeiterIn beispielsweise fix an 2 Tagen Home-Office hat, dann gibt es 2 Antwort-Optionen (1 bis 2 Tage / 2 bis 3 Tage)!

3. Die Fragen/Antworten sind vorurteilsbehaftet!

Das heißt, dass von der Person, die die Frage stellt, schon etwas mitschwingt. Wenn also damit nur ein eingeschränkter Lösungsraum aufgemacht wird.

Beispiel:
Was ist der häufigste Grund für eine Unterbrechung im Homeoffice?
  1. Familie, Kinder
  2. Technische Probleme (VPN, Internetverbindung, …)
  3. Alltagsaufgaben (Wäsche, Kochen, Staubsaugen, Einkaufen, ...)
  4. Sport/Hobbies
  5. Sonstiges – freies Feld für eigene Eintragung

Hier wird suggeriert, dass der häufigste Grund für Unterbrechungen im Homeoffice im privaten Bereich liegt. Man kann raushören, dass die Person, die dies formuliert hat, glaubt, dass die MitarbeiterInnen im Homeoffice ständig unterbrochen werden durch private Dinge.

Wenn ich aber daran denke, was mir Beschäftigte erzählen, wodurch sie im Homeoffice unterbrochen werden, dann erzählen sie von beruflichen Unterbrechungen (Handy läutet während Videokonferenz + Mails kommen rein).

Aber das kommt in den Antwortmöglichkeiten des Beispiels gar nicht vor, diese sind vorurteilsbehaftet. Denn gefühlt suggerieren die Antworten, dass die Leute nicht "konzentriert" arbeiten im Homeoffice.

4. Die wahrgenommene Anonymität ist gering

Zum Beispiel, weil zu viele soziodemographische Daten abgefragt werden - Geschlecht, Alter, Dauer der Firmenzugehörigkeit. In vielen Befragungen rund um BGM ist das Standard, oft ohne dass die Organisatoren wirklich wissen, warum sie das eigentlich abfragen.

Das ist aber ein Problem. Warum?
Oft werden diese Dinge ohnehin nur einzeln ausgewertet. Aber wenn man kombiniert (z.B. Alter, Geschlecht, Firmenzugehörigkeit), dann sind Personen leicht identifizierbar. Und das wissen die Beschäftigten und machen dann nicht mit.

5. Keine Werbung vorher / keine Erinnerung

Unsere Firma hat ja auch ein Online-Tool, womit wir Online-Befragungen für viele Firmen abwickeln rund um psychische Belastungen.

Eine Befragung geht z.B. über 2 Wochen. Am Anfang wird ein Mail rausgeschickt, die Leute werden zur Befragung eingeladen. Aber dann wird von den Firmen häufig nach dem "Prinzip Hoffnung" verfahren. Sie hoffen, dass jemand mitmacht. Aber es passiert nichts mehr. Es wird keine Erinnerung mehr rausgeschickt.

Dadurch bekommen die Beschäftigten viel zu wenig mit, dass die Befragung läuft und diese wichtig ist. Und dadurch hat man dann einen geringen Rücklauf.

6. Keine Rückmeldung an die Teilnehmenden über Ergebnisse bzw. keine spürbaren Konsequenzen

Wenn dem so ist, dann ist das Problem, dass diese Leute in den nächsten Jahren nicht mehr mitmachen werden bei solchen schriftlichen Befragungen.

Ich kenne das von Kundenprojekten, wo ich bei der Projektplanung immer frage:

  • Was gab's schon in den letzten Jahren zu dem Thema?
  • Wie war der Rücklauf?
  • Was ist dann passiert?

Wenn ich dann höre "Da war vor 5 Jahren mal eine Befragung zum Thema, da war kein guter Rücklauf, so unter 30% und dann haben wir eigentlich nichts mehr gemacht damit, weil es eh nicht repräsentativ war.", dann weiß ich, ich brauche eigentlich keine Befragung mehr planen. Denn: Wieso sollten denn die Beschäftigten dieses Mal mitmachen?

Oder ich habe auch schon mehrfach Anfragen bekommen mit "Vor 9 Monaten haben wir eine Online-Befragung gemacht, aber wir hatten damals keine Zeit, das zu analysieren. Wir wollen jetzt, dass Sie sich für uns die Ergebnisse anschauen und passende Maßnahmen planen.“ Wenn so eine lange Pause ist zwischen Befragung und Analyse, dann sind die Ergebnisse wahrscheinlich gar nicht mehr aktuell. Deswegen ist es so wichtig, sich zu überlegen, wie man die Leute über die Ergebnisse informiert, wann das passiert, wie man das so schnell als möglich machen kann.

 

Aufgabe der Woche:

Schauen Sie sich einen Fragebogen an, der Ihnen unterkommt: Einen Feedbackbogen, eine firmeninterne Befragung oder aber auch eine Umfrage in der Zeitung. Und schauen Sie diese kritisch an:

  • Was würden Sie anders formulieren?
  • Würden Sie den Bogen gerne ausfüllen?

Viel Spaß beim Reflektieren!

 

Weitere Empfehlungen:

Für Mitglieder der Online-Akademie "Pioniere der Prävention":

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Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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