Fünf Dinge, die fast alle falsch machen in der Arbeitssicherheit
In dieser Podcast-Episode sprechen wir über die Dinge, die fast alle in der Arbeitssicherheit falsch machen. Danach wissen Sie genau, was Sie vermeiden müssen, um nachhaltigen Erfolg zu haben - egal ob in Brandschutz, Maschinensicherheit oder der Unfallprävention auf Baustellen.
Heute reden wir über etwas Unangenehmes: Dinge, die sehr viele Leute falsch machen, wenn sie als Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Sicherheitsbeauftragte unterwegs sind. Falsch im Sinne von: nicht so hilfreich für die Beschäftigten bzw. für den Erfolg der Beratung.
Und natürlich reden wir auch darüber, was Sie hier besser machen sollten, damit Sie wirklich etwas bewegen können mit Ihrer Arbeit. Damit Sie Leute motivieren zu Arbeitssicherheit. Und damit Sie auch von Ihren KundInnen weiterempfohlen werden!
Vorher noch ein Hinweis: Der kostenlose Online-Kongress "Pioniere der Prävention" findet auch 2021 wieder statt, nämlich von 23. - 27.08.2021. Alle Infos finden Sie unter: www.pionierederpraevention.com/kongress. Dieser ist perfekt für alle, die nicht nur ihr Fachwissen erweitern wollen, sondern auch psychologische Impulse lieben. Für mehr Erfolg in Arbeitssicherheit und Gesundheitsmanagement.
Und ein Vortrag, auf den ich mich schon sehr freue ist über Gender & Diversity in der Prävention. Das ist ein Thema, das vielleicht auch bei Ihrer Arbeit manchmal mitschwingt, aber viel zu selten explizit beachtet wird. Julia Steurer vom Zentral-Arbeitsinspektorat aus Österreich wird dazu einen Praxis-Input liefern.
Ich habe sie jetzt schon gefragt, wie man denn am besten starten sollte, wenn man das komplexe Thema Gender & Diversity in die eigene Präventionsarbeit einfließen lassen will. Julia Steurer meint, dass Gender & Diversity im Arbeitsschutz auch damit enddramatisiert werden kann, dass man bekannte Arbeitsschutzthemen nimmt und mit diesen arbeitet. Damit Sie sich und die Betriebe mit diesem Thema nicht überfordern, ist ihr Tipp, sich einen Aspekt zu wählen mit dem man beginnt (z.B. männer- oder frauendominierte Arbeitsplätze).
Ich freue mich schon sehr auf den Vortrag und bin sicher, dass er sehr hilfreich sein wird. Der Online-Kongress ist kostenlos, weil die ReferentInnen nichts verlangen für ihren Einsatz und dank tollen Sponsoren, die uns diesen großen Kongress ermöglichen!
Aber zurück zum heutigen Thema:
Ich arbeite als Arbeitspsychologin schon seit vielen Jahren eng mit Fachkräften für Arbeitssicherheit zusammen. Ich bilde diese aus rund um das Thema der psychischen Belastungen. Ich war auch in einem Netzwerk für Arbeitssicherheit als einzige Arbeitspsychologin und konnte dort viele Kontakte knüpfen. Und es sind ganz viele Akademie-Mitglieder aus dem Themenfeld der Arbeitssicherheit.
Immer, wenn jemand neues Mitglied wird bei uns gibt es eine Befragung, was gerade die größte Herausforderung ist. Die zwei häufigsten Antworten sind einerseits Beschäftigte dazu zu bringen, sich sicher zu verhalten und andererseits Führungskräfte, die sich nicht wie Vorbilder verhalten.
Wenn ich mich dann mit Leuten aus der Arbeitssicherheit unterhalte und höre, wie sie ihre Arbeit verstehen, dann sehe ich immer wieder ähnliche Schwierigkeiten, die dahinter liegen. Und darüber reden wir heute!
Weil ganz viele Fachkräfte für Arbeitssicherheit wollen gute Arbeit leisten, wollen andere motivieren, aber machen am Weg Fehler. Und das kann zum Gegenteil führen! Das kann dazu führen, dass man nicht ernst genommen wird von seinem Gegenüber. Oder dass man als nervig wahrgenommen wird. Und das wollen wir alle nicht, oder?
Deshalb schauen wir uns jetzt die 5 Dinge an, die viel zu viele Leute in der Arbeitssicherheit falsch machen. Und Sie können insgeheim überlegen, ob Sie das nicht vielleicht auch schon gemacht haben.
5 Dinge, die fast alle in der Arbeitssicherheit falsch machen
1) Polizei spielen
Dabei wird mit Gesetzen gedroht. Aber es gibt viele Studien, z.B. von der Uni Wien, die besagen, dass dieses Verhalten nichts bringt. Es kann sogar sehr schaden, wenn das Gegenüber nicht von unserer Kompetenz überzeugt ist. Dann kann der gegenteilige Effekt eintreten: Weniger Unterstützung von der Führungskraft.
Ich habe zu Beginn auch geglaubt, dass es "ausreicht", wenn man die Menschen auf die Gesetzeslage hinweist. In Österreich kam die Gesetzesänderung zur Evaluierung psychischer Belastungen 2013. Ich bin damals davon ausgegangen, dass es reicht (auch für gute Projekte), die Firmen darauf hinzuweisen. Ich habe aber sehr schnell den Unterschied gemerkt zwischen Geschäftsführungen, die das machen wollen und Geschäftsführungen, die das machen müssen (sich gezwungen fühlen). Und es ist nicht einfach, jemanden zu überzeugen, wenn diese Person das von sich aus nicht will.
Siehe auch: Episode 20 - Fünf Mythen rund um Erfolg in der betrieblichen Prävention. Dort erzähle ich mehr von der Langzeitstudie der Uni Wien.
2) Ständig über Probleme reden
Man fokussiert sich immer nur auf das Negative. Und in der Arbeitssicherheit sind das Unfälle oder Beinahe-Unfälle. Und das ist ein Problem, weil sich die Aufmerksamkeit immer nur darauf fokussiert. Das löst bei unserem Gegenüber, Geschäftsführung oder Führungskraft, kein gutes Gefühl aus. Diese haben dann das Gefühl, dass sie vieles falsch machen in ihrem Job. Das kann dazu führen, dass die Personen reaktant werden und gar nicht mehr mit uns sprechen wollen.
Ich kenne das auch von der Evaluierung psychischer Belastungen: Da dreht sich in der Regel alles nur um Stressfaktoren. Viele Fragebögen sind negativ formuliert. Und auch in standardisierten Workshops, z.B. der ABS-Gruppe, wird oft stundenlang genau ein Problem analysiert bevor man sich um die Maßnahmen kümmert.
Einen lösungsfokussierten Ansatz finde ich viel schöner, zum Beispiel gibt es in der Arbeitssicherheit den Safety II Ansatz. Dieser Ansatz sagt: In 99,9 % aller Situationen passiert überhaupt kein Unfall. Davon sollten wir lernen, wie es klappt, dass es gut läuft und alle sicher wieder nach Hause gehen.
Ich finde es sehr gut in Beratungen hervorzuheben und nachzufragen, was bereits gut funktioniert bzw. in der Vergangenheit gut funktioniert hat. Das heißt nicht, dass man Unfälle oder Risiken klein redet. Das sagt auch nicht, dass man nicht mehr über Gefahren reden darf, aber ich bin davon überzeugt, dass ein positiver Fokus sehr viel bringt.
Immer, wenn man darüber spricht, was schon gut funktioniert bzw. funktioniert hat, verkörpert das Wertschätzung und verstärkt erwünschtes Verhalten. Man lobt damit, was schon alles getan wurde! Und Lob mögen Menschen immer.
Hören Sie sich gerne die Episode 7 - Beratungskompetenz als Kern von wirksamer Prävention – an, wenn Sie das interessiert.
Und für alle Kurs-Mitglieder: In der Akademie gibt es einige Kurse zum lösungsfokussierten Ansatz.
Probieren Sie es einmal aus: Reden Sie bei der nächsten ASA-Sitzung oder beim nächsten Gespräch zu 90 % über die Dinge, die gut laufen! Sie werden sehen, was das für einen Unterschied ausmacht.
3) Psychologische Zusammenhänge nicht sehen
Das ist kein Vorwurf! Viele Leute, die Arbeitssicherheit gelernt haben, haben einen technischen Hintergrund. Natürlich ist es dann oft auch schwierig psychologische Zusammenhänge und Erklärungen zu sehen. Viele glauben dadurch, dass Entscheidungen von MitarbeiterInnen immer bewusst getroffen werden. Und so werden Phänomene wie kognitive Verzerrungen – Bias - ignoriert.
Man kann beobachten, dass Menschen, die schon viel Arbeitserfahrung haben, nachlässiger werden (z.B. Schutzausrüstung nicht mehr tragen) und beispielsweise sagen: "Ich will ja nur schnell das eine Ding schneiden". Da steckt dieses psychologische Phänomen, Bias, dahinter: "Ich habe es schon immer überlebt, also werde ich es auch in Zukunft überleben. Dann brauche ich wahrscheinlich die Schutzausrüstung auch nicht." Und das ist ein kognitiver Denkfehler, den viele Menschen in sich tragen. Und den man sich bewusst machen muss.
Man unterschätzt auch sehr häufig den Einfluss von Erfahrungen und Gruppendynamik. Zum Beispiel gibt es Teams, da sagen Menschen nichts über eine Gefahr, die ihnen auffällt obwohl es sonnenklar ist, dass hier ein Problem herrscht. Das machen sie nicht absichtlich, um jemandem zu schaden, sondern weil ein psychologisches Phänomen dahinter steckt, z.B. weil sie gelernt haben, dass der Chef sie anschreit, wenn sie ihn auf Probleme hinweisen. Dann ist es eigentlich nur schlau für die Psyche, das in Zukunft nicht mehr zu tun. Damit man nicht mehr angeschrien wird. Da braucht man oft diese psychologische Brille um solche Dinge zu erkennen.
Immer wieder habe ich bei meinen KundInnen gehört, wenn ein Unfall passiert ist: "Das war menschliches Versagen." Aber in der Regel versagt der Mensch nicht, sondern er funktioniert einfach sehr komplex. Es gibt sehr viele Einflussfaktoren auf menschliches Verhalten. Es gibt auch sehr viele Bedürfnisse, die wir gleichzeitig in uns tragen. Und so kann es manchmal sein, dass Menschen lieber schneller arbeiten wollen und nicht sicherer. Weil das gerade in diesem Moment für sie absolut Sinn ergibt, z.B. weil sie nach geleisteter Arbeitsmenge bezahlt werden und nicht nach Arbeitssicherheit.
Dieses Wissen ist also wichtig, um die Komplexität der menschlichen Psyche zu verstehen - auch im Feld von Arbeitssicherheit.
4) Bedürfnisse von Führungskräften ignorieren
Ganz häufig kümmern wir uns in der Prävention nur um die untere Ebene, um die MitarbeiterInnen-Ebene. Und Führungskräfte sind oft nur die EmpfängerInnen von Kritik, Feedback, ... Die Führungskräfte werden als Adressaten viel zu oft vergessen. Aber das sind auch Menschen!
In Seminaren zu Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen werde ich oft gefragt: "Wie mache ich das mit Führungskräften?"
5) Zu wenig Geld verlangen
Ich höre zum Teil absurde Zahlen, was Leute in der Arbeitssicherheit verlangen für ihre Tätigkeit, zum Beispiel 25 € pro Stunde. Ich weiß schon, dass man sich nicht an bestimmten Bereichen orientieren darf, wie Arbeitsmedizin oder Unternehmensberatung.
Aber ich finde, das ist immer mal wieder auch eine Ausrede, wenn man sagt, dass die Konkurrenz ja auch so billig ist, ... Es ist nicht Sinn der Sache sich ständig zu unterbieten.
Ich will mit KundInnen zusammenarbeiten, die das wertschätzten, was ich leiste. Denn: "Was nichts kostet, ist nichts wert". Wenn man einen zu geringen Stundensatz verlangt, darf man sich auch nicht ärgern, wenn man für die Geschäftsführung auch nicht wichtig ist. Das ist leider so. Verlangen Sie einen angemessenen Stundensatz!
Mehr dazu hören Sie in der Episode 13 - Fünf Wege, wie Sie mehr Geld verdienen können. Da geht es u.a. auch um einen höheren Stundensatz.
In der Akademie gibt es einen ganzen Kurs zu Honorargestaltung für Selbstständige. Da geht es auch um durchschnittliche Stunden- bzw. Tagsätze.
Beobachtungsaufgabe: Beobachten Sie sich selbst, ob Sie heute eventuell in eine dieser Fallen tappen. Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung!
Und wenn Sie bereit sind Ihre Überzeugungskraft zu steigern und sich auszutauschen mit einem großen Netzwerk von KollegInnen aus der betrieblichen Prävention: Schauen Sie vorbei unter www.PioniereDerPraevention.com. Denn wir wissen beide: Um wirklich etwas zu bewegen in Arbeitssicherheit & Gesundheit, braucht es mehr als Fachwissen!
Ich zitiere dazu Helmut Weißengruber (Akademie-Mitglied): "Zu Beginn kam mir das Wort "Akademie" in Zusammenhang mit "Pioniere der Prävention" zu hoch gegriffen vor - heute finde ich es auch wieder nicht passend, weil es viel mehr ist. Es lohnt sich definitiv. Ein Leuchtturm und vorbildhaft in der Wissensvermittlung!"
Meine Empfehlungen für Sie:
- Episode 7 - Beratungskompetenz als Kern von wirksamer Prävention
- Episode 13 - Fünf Wege, wie Sie mehr Geld verdienen können
- Episode 20 - Fünf Mythen rund um Erfolg in der betrieblichen Prävention
Hinterlassen Sie gerne einen Kommentar! Und gute Erkenntnisse bei der Beobachtungsaufgabe!
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
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