Warum Risiken ignoriert werden: Das sind die Ursachen!
Früher habe ich geglaubt, dass es an meinem Thema, der Arbeitspsychologie, liegt. Aber mittlerweile weiß ich, dass so etwas auch bei körperlichen Risiken manchmal vorkommt.
In der Podcast-Episode 208 sprechen wir darüber warum Führungskräfte manchmal Sicherheitsrisiken oder Gesundheitsbedenken nicht ernst nehmen und keine Maßnahmen setzen. Wir schauen auf interne, externe und individuelle psychologische Faktoren und versetzen uns auch mal empathisch in die Position einer Führungskraft. Damit wir daraus lernen können und für uns ableiten, wie wir in Zukunft Bedenken, Risiken oder Fehlbelastungen richtig adressieren.
Ich zeige Ihnen heute also, welche Ursachen dazu führen können, dass Führungskräfte Sicherheitsrisiken ignorieren oder Gesundheitsbedenken nicht ernst nehmen. Damit Sie in Ihrer Beratung konkrete Hebel kennen, um Führungskräfte gezielt für diese Themen zu sensibilisieren.
Manchmal braucht es nur einen kleinen Vorfall im Betrieb, um zu erkennen, wie wichtig Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sind. Dann passiert ganz, ganz viel. Doch was ist, wenn Führungskräfte nicht darauf reagieren?
Ich erlebe das ja leider als Arbeitspsychologin immer wieder. Ich beschreibe den Führungskräften die psychischen Fehlbelastungen den Mitarbeiter:innen und höre dann:
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Ich hab das früher auch gemacht. Das ist nicht so schlimm, wie alle tun.
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Aber zum Pause machen haben die Leute ja auch alle immer Zeit. Dann kann es nicht so arg sein.
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Wenn es den Leuten nicht passt, sollen sie sich einen anderen Arbeitsgeber suchen.
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Ja, darum kümmern wir uns später, wenn die aktuell stressige Phase vorbei ist.
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Da kann man nichts ändern. Das ist halt so bei dem Job.
Ich habe früher geglaubt, dass das an meinem Thema, der Arbeitspsychologie, liegt. Aber ich weiß mittlerweile, dass so etwas auch bei körperlichen Risiken manchmal ein Thema ist, also auch in der Arbeitsmedizin, auch in der Arbeitssicherheit. Wenn da Sicherheitsrisiken oder Gesundheitsbedenken ignoriert werden, sind Unfälle oder gesundheitliche Schäden oft nur eine Frage der Zeit. Darüber hinaus können rechtliche Konsequenzen und Reputationsverluste drohen. Für die Mitarbeitenden führt dies zu einem Vertrauensverlust – ein schwer zu reparierender Schaden.
Viele von Ihnen kennen sicher Situationen, in denen die Führungsebene andere Prioritäten setzt. Und genau hier liegt eine der größten Herausforderungen: Arbeitsschutz wird oft als nebensächlich betrachtet oder fällt zwischen anderen, scheinbar wichtigeren, Themen unter den Tisch.
Es gibt verschiedene Gründe, warum Führungskräfte manchmal nicht auf Sicherheitsrisiken oder Gesundheitsbedenken reagieren. Diese lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen (natürlich trifft nicht jede Kategorie auf jede Führungskraft zu):
1. Mangelndes Bewusstsein und fehlendes Wissen:
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Unkenntnis der Risiken: Führungskräfte sind möglicherweise nicht ausreichend über die spezifischen Gefahren und Risiken am Arbeitsplatz informiert. Dies kann daran liegen, dass sie nicht direkt in den betroffenen Bereichen tätig sind oder dass sich die Arbeitsbedingungen und damit verbundene Risiken geändert haben, ohne dass dies ausreichend kommuniziert wurde.
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Fehlendes Wissen über rechtliche Verpflichtungen: Führungskräfte sind möglicherweise nicht ausreichend über die gesetzlichen Vorschriften und Verpflichtungen im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz informiert. Dadurch unterschätzen sie möglicherweise die Bedeutung bestimmter Risiken oder die Konsequenzen von Verstößen.
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Unzureichende Schulung: Führungskräfte haben möglicherweise keine ausreichende Schulung im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz erhalten. Dadurch fehlt ihnen das nötige Wissen, um Risiken zu erkennen, zu bewerten und angemessen zu handeln.
2. Priorisierung anderer Ziele:
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Fokus auf kurzfristige Ziele: Führungskräfte stehen oft unter Druck, kurzfristige Ziele wie Produktionszahlen und Umsatzzahlen zu erreichen oder Termine einzuhalten. Dadurch rücken Aspekte wie Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz möglicherweise in den Hintergrund.
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Kostenaspekte: Die Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen kann mit Kosten verbunden sein. Führungskräfte könnten daher zögern, in den Arbeitsschutz zu investieren, insbesondere wenn sie unter Budgetdruck stehen.
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Mangelnde Anerkennung: In manchen Unternehmen wird Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz nicht ausreichend wertgeschätzt oder als "lästige Pflicht" angesehen. Führungskräfte könnten daher den Eindruck haben, dass ihr Engagement in diesem Bereich nicht honoriert wird.
3. Organisatorische und strukturelle Probleme:
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Mangelnde Kommunikation: Es gibt möglicherweise keine klaren Kommunikationswege oder Kommunikationsstrukturen, um Sicherheitsrisiken und Gesundheitsbedenken an die Führungskräfte zu melden.
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Unklare Verantwortlichkeiten: Die Verantwortlichkeiten im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sind möglicherweise nicht klar definiert. Dadurch fühlen sich Führungskräfte unter Umständen nicht zuständig oder nicht verantwortlich.
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Fehlende Unterstützung durch das Management: Das Top-Management signalisiert möglicherweise nicht ausreichend die Bedeutung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Dadurch fehlt es an der notwendigen Unterstützung und den Ressourcen, um diese Aspekte angemessen zu berücksichtigen.
4. Psychologische Faktoren:
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Selbstüberschätzung: Führungskräfte könnten die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls oder einer Erkrankung am Arbeitsplatz unterschätzen, insbesondere wenn es in der Vergangenheit keine schwerwiegenden Vorfälle gab.
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Risikoverharmlosung: Führungskräfte könnten bestimmte Risiken bewusst oder unbewusst verharmlosen oder ignorieren, um ihre eigenen Entscheidungen oder die Situation im Unternehmen nicht in Frage stellen zu müssen.
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Mangelndes Empathievermögen: Führungskräfte könnten sich möglicherweise nicht ausreichend in die Situation der Beschäftigten hineinversetzen und deren Ängste und Bedenken nicht ernst nehmen.
5. Fehlende Konsequenzen:
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Mangelnde Kontrollen: Es gibt möglicherweise keine regelmäßigen Kontrollen oder Audits, um die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zu überprüfen.
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Keine Sanktionen bei Verstößen: Bei Verstößen gegen die Sicherheitsvorschriften gibt es möglicherweise keine oder nur geringe Konsequenzen für die Führungskräfte.
Zusammenfassung:
Mangelndes Wissen, andere Prioritäten, organisatorische Probleme, psychologische Faktoren und fehlende Konsequenzen sind die Hauptgründe, warum Führungskräfte nicht auf Sicherheitsrisiken oder Gesundheitsbedenken reagieren. Mit gezielter Kommunikation, Schulung und klaren Verantwortlichkeiten lassen sich diese Hürden überwinden.
Ihre Aufgabe der Woche:
Reflektieren Sie in einem aktuellen Beratungsprojekt, welche der genannten Kategorien auf Ihre Führungskräfte zutreffen könnten. Überlegen Sie sich, wie Sie gezielt an diesen Punkten ansetzen können.
Weitere Empfehlungen:
- Podcast-Episode 23: "Kritisches Feedback geben ohne Drama"
- Podcast-Episode 60: "So motivieren Sie Führungskräfte zu BGM - 4 konkrete Tipps"
- Podcast-Episode 80: "Maßnahmen geplant, aber nicht umgesetzt? Das sind die Gründe!"
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
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