Unsere Arbeit als Gefahr für die Beschäftigten?!
Die Podcast-Episode 123 soll Sie wachrütteln!
In der Episode 123 erzähle ich Ihnen die Geschichte vom Lagerleiter Manuel Oberhuber und warum hier die Präventionsarbeit mehr kaputt gemacht hat, als sie gebracht hat.
Nach dieser Folge wissen Sie, wann IHRE Arbeit eine Gefahr für die Beschäftigten darstellt!
Wir wollen ja Arbeitsbedingungen verbessern. Die Arbeitswelt gesünder und sicherer machen. Nach bestem Wissen und Gewissen, oder?
Das gelingt uns auch oft sehr gut. Aber manchmal verschlimmbessern wir Dinge. Also wir wollen sie eigentlich verbessern, aber in Wirklichkeit verschlimmern wir sie nur ...
Eine Geschichte dazu:
Im Lager eines Getränke-Großhandels gibt es schon seit einigen Monaten Ärger. Nämlich wegen dem neuen Lager-Leiter Manuel Oberhuber.
Die Beschäftigten fühlen sich von ihm total unfair behandelt, weil er Urlaubstage manchmal genehmigt und manchmal nicht.
Manchmal ordnet er Leuten Überstunden an, ohne dass diese wissen, warum das jetzt genau notwendig ist.
Wenn Manuel Oberhuber einen schlechten Tag hat, schreit er nur herum und macht Leute runter wegen Kleinigkeiten, die er an anderen Tagen nicht mal wahrnimmt.
Jetzt war der Arbeitsinspektor da und hat den Getränke-Großhandel kontrolliert. Und es sind einige Sicherheits-Mängel aufgefallen. Vor allem im Lager. Das hat die Laune von Manuel Oberhuber ziemlich runtergezogen.
Und jetzt muss auch noch eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen gemacht werden. Gut, dass der Geschäftsführer eine Bekannte hat, die Unternehmensberaterin ist: Susanne Himpel. Diese wird das übernehmen.
Gesagt, getan. Die Unternehmensberaterin macht solche Gefährdungsbeurteilungen zwar nicht regelmäßig, aber sie hat dazu schon einiges gelesen und sich schlau gemacht. Also gibt's Workshops für die einzelnen Bereiche. Auch für die Lager-MitarbeiterInnen.
Diese sind zuerst sehr skeptisch. Was wird das jetzt?
Aber die Unternehmensberaterin Susanne Himpel macht ihnen klar: Es geht darum, dass sich ihre Arbeitsbedingungen verbessern! Auch das Verhältnis zum Chef soll besser werden.
Dafür wäre es wichtig, dass alle offen sagen, was sie stört. Also sagen die Lager-MitarbeiterInnen ganz offen, was sie stört: Am Chef, Herrn Oberhuber, seinen Launen, seiner unfairen Art und überhaupt seiner Art zu führen.
Nach dem Workshop geht's den MitarbeiterInnen besser. Endlich hat ihnen mal jemand zugehört und sie verstanden! Sie sind gespannt, was sich jetzt verbessern wird.
Susanne Himpel wird Manuel Oberhuber sicher ins Gewissen reden und ihm klar machen, wie wichtig es ist, dass er nett ist zu seinen Leuten, damit diese motiviert arbeiten.
Und Susanne Himpel hat das auch vor. Sie schreibt ein klares Protokoll und macht sich einen Termin aus mit dem Lagerleiter und dem Geschäftsführer, um ihre Ergebnisse zu präsentieren und Maßnahmen zu überlegen.
Doch dieser Termin läuft gar nicht so ab, wie Susanne Himpel das erwartet hat. Schon beim Hinsetzen murmelt Manuel Oberhuber sowas wie: "Na jetzt bin ich mal gespannt, was meine Leute da verzapft haben und welchen Blödsinn ich jetzt wieder ändern soll ..."
Susanne Himpel übergeht den Kommentar professionell und beginnt mit der Präsentation der Workshop-Ergebnisse. Sie erzählt genau, was die MitarbeiterInnen ihr gesagt haben, wann der Lagerleiter sie anschreit und wie unfair sie sich behandelt fühlen.
Manuel Oberhuber wird immer unruhiger. Und nach 5 Minuten reicht es ihm. Er haut mit der Faust auf den Tisch und sagt laut: "So eine Lüge! Ich bin vielleicht streng, aber ich mein es gut mit den Leuten. Die sollen froh sein, dass sie einen Job haben, so faul, wie die manchmal arbeiten! Ich hab diesen Job extra bekommen, damit ich hier mal aufräume und die Mannschaft auf Vordermann bringe."
Der Geschäftsführer ist irritiert. Einerseits glaubt er natürlich seiner Freundin Susanne Himpel und andererseits hat er wirklich Manuel Oberhuber eingestellt, weil er das Gefühl hatte, dass das Lager besser organisiert werden könnte und dort manchmal "der Schlendrian" drinnen ist, also eher langsam gearbeitet wird.
Er bedankt sich also bei Susanne Himpel, beruhigt Manuel Oberhuber und sagt: "Gut, jetzt haben wir ja die Workshop-Ergebnisse und können dem Arbeitsinspektor sagen, dass wir das erledigt haben." Und damit ist es für den Geschäftsführer auch wirklich gegessen und er will das Thema zu den Akten legen.
Der Lagerleiter Manuel Oberhuber ist aber fuchsteufelswild. Was bilden sich die MitarbeiterInnen eigentlich ein, ihm vor einer wildfremden Beraterin, die noch dazu eine gute Freundin vom Geschäftsführer ist, in den Rücken zu fallen und so schlecht über ihn zu reden!
Das wird Konsequenzen haben, denkt sich der Lagerleiter! Und so kommt es dann auch: Als er vom Termin zurück geht ins Lager, sind die MitarbeiterInnen schon ganz gespannt, ob er jetzt geläutert zurückkommt, aber es ist das Gegenteil. Manuel Oberhuber hat super schlechte Laune und lässt diese gleich am Erstbesten aus, der ihn schief anschaut.
Und das bleibt auch so: Die nächsten Tage ist er extrem launisch, schnippisch und redet nur das Nötigste mit seinen Leuten. Wie vorher nur an seinen wirklich schlechten Tagen.
Die Arbeitsbedingungen haben sich für die Mitarbeiter also nicht verbessert, sondern verschlechtert.
Die Geschichte ist natürlich frei erfunden, aber inspiriert von einigen Geschichten, die ich erlebt habe und auch schon gehört habe von KollegInnen.
Vielleicht haben Sie das Unglück schon kommen sehen!?
Vielleicht wissen Sie selbst, wie Susanne Himpel hier hätte besser vorgehen können, um das zu verhindern. Vielleicht denken Sie sich auch: Naja, mir würde das nie passieren, weil ich habe ja schon ganz viel Erfahrung in meiner Präventionsberatung.
Ich sage Ihnen: Das kann allen von uns passieren. Weil: Wir arbeiten mit Menschen. Und die sind nicht immer vorhersehbar. Selbst wenn wir die besten Absichten haben und sehr sensibel vorgehen bei kritischen Themen. Wir wissen oft nicht, was in unserem Gegenüber gerade vorgeht und wir können nicht kontrollieren, wie sich Führungskräfte hinter unserem Rücken verhalten, wenn unsere Workshops, unsere Besprechungen vorbei sind.
Und es gibt ja dieses schöne Sprichwort: Das Gegenteil von gut ist "gut gemeint". Und deshalb sollten wir hier echt vorsichtig sein, dass wir mit unserer Arbeit nicht die Arbeitsbedingungen der MitarbeiterInnen verschlimmbessern.
Und deshalb soll diese Episode Sie ein bisschen wachrütteln: Unsere Präventionsarbeit KANN tatsächlich die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten verschlechtern.
Es kann sein, dass bei einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen oder einem Gesundheitszirkel, die Leute vorher Angst haben, etwas "falsches" zu sagen beim Interview oder im Workshop. Dass sie Angst haben, dass ihnen das dann selber auf den Kopf fällt, weil die Führungskräfte dann nachher wissen oder vermuten, wer das gesagt hat und das dann negative Konsequenzen hat für die Beschäftigten.
Und dieses schlechte Bauchgefühl der Leute sollten wir ernst nehmen. Damit müssen wir sehr behutsam umgehen. Denn in der Regel kennen die Beschäftigten ihre Führungskräfte besser als wir.
Es kann aber auch sein, dass wir es mit der Arbeitssicherheit in die falsche Richtung treiben:
Dass wir die Vision Zero mit Kennzahlen so ernst nehmen, dass die MitarbeiterInnen Angst haben über Gefahrenstellen zu reden, weil es ja das Ziel ist, die sicherste Abteilung zu sein.
Oder dass die Leute Angst haben, kleinere Unfälle zu melden, damit der "Zähler von unfallfreien Tagen nicht auf Null springt".
Und auch dann kann es sein, dass unsere Präventionsarbeit die Beschäftigten in eine schlechtere Position bringt.
Deshalb ist es so wichtig, die eigene Arbeit regelmäßig kritisch zu beleuchten, sich mit den Ansprechpersonen in den Firmen immer wieder auszutauschen, welche Veränderungen es gibt nach unseren Interventionen und sich auch mit KollegInnen auszutauschen, wie diese bestimmte Herausforderungen lösen.
Damit wir nicht betriebsblind werden und sukzessive die Gefahrenquellen in unserer eigenen Arbeit auch minimieren.
Aufgabe der Woche:
Reflektieren Sie, bei welchem Projekt Sie nachher vielleicht auch schon mal das Gefühl hatten, dass es das jetzt nicht unbedingt verbessert hat. Oder es hat vielleicht die eine Arbeitsbedingung verbessert, hat aber vielleicht unangenehme Nebeneffekte gehabt.
Schreiben Sie mir dazu gerne auf LinkedIn mit dem Hashtag pionierederpraevention oder eine Direktnachricht ;-)
Weitere Empfehlung:
Episode 23: "Kritisches Feedback geben ohne Drama"
Wenn Sie sich mit Gleichgesinnten weiterentwickeln wollen: Schauen Sie vorbei unter www.PioniereDerPraevention.com – Das ist ein großes Netzwerk von ExpertInnen aus Arbeitssicherheit, Gesundheitsmanagement und Arbeitspsychologie. Einmal im Monat gibt es da einen virtuellen Stammtisch und regelmäßig auch Fokus-Sessions zu unterschiedlichen Präventionsthemen. Würd mich freuen, wenn wir uns dort sehen und austauschen.
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
Related items
- Brandschutz psychologisch betrachtet - Interview durch Christian Lüthi (VBSF)
- Firmen beeinflussen? So geht's laut den Top-HR-Influencern Österreichs
- Wie kann KI die Prävention unterstützen? Reportage von "sicher & gesund 5.0"
- Warum ich mich selbst für den HR-Award nominiert habe
- Verhaltens- oder Verhältnisprävention? Kontinuum statt schwarz/weiß?