Was tun, wenn keine Zeit bleibt für Führungsaufgaben?
In 55% aller Organisationen gibt es Zeit- und Termindruck. Führungskräfte sind davon noch häufiger betroffen als normale Angestellte. 24% der deutschen Fach- und Führungskräfte geben an, ständig Termindruck zu haben (EWCS, 2015).
Mit diesen Tipps gelingt es Ihnen, trotzdem Zeit zu finden für Ihre Führungsaufgaben!
Wer ist betroffen?
Mit steigender Größe einer Firma nimmt auch der Druck zu. In Firmen mit mehr als 250 Beschäftigten liegt der Anteil der Firmen mit Zeitdruck sogar bei über 80%! Obwohl es mehr Personen gibt auf welche die Arbeit verteilt wird, steigt trotzdem der Stress pro Person an.
Zeitdruck ist kein Status-Symbol
Kennen Sie solche Menschen, die ständig gehetzt wirken und sich immer lautstark beschweren über ihre Arbeitsmenge? Ich selbst kenn solche Leute. Und ich finde sie anstrengend! Irgendwann ist es auch nicht mehr glaubwürdig.
Sind wir ehrlich: Als Führungskraft haben Sie deutlich mehr Gestaltungsspielraum als „normale“ MitarbeiterInnen. 81% der hoch qualifizierten Angestellten können ihr Arbeitstempo selbst bestimmen.
Zeitdruck ist kein Status-Symbol, sondern ein Zeichen von schlechter Arbeitseinteilung, Nicht-Nein-Sagen-Können oder Überforderung.
„Zeit hat man nicht. Man nimmt sie sich.“
Wer ständig unter Zeit- und Termindruck steht, macht daher etwas falsch! Entweder Sie schaffen es nicht, Ihre Termine zu koordinieren, brauchen zu lange für Ihre Aufgaben, beschränken sich nicht auf das Kerngeschäft oder delegieren zu wenig.
Erst letztens hab ich von einem Inhaber und Chef einer Bau-Firma gehört, welcher nur Montag bis Mittwoch arbeitet. Jetzt könnte man 3 Dinge annehmen:
- Er hat keine Aufträge und die Firma wird so nicht dauerhaft überleben.
- Er ist faul und schiebt alles auf andere ab.
- Er hat sich alles gut eingeteilt.
In seinem Fall ist es einfach: Das Unternehmen floriert und läuft großartig. Er sorgt als Geschäftsführer dafür, dass die großen Visionen vorgegeben sind, aber er mischt sich nicht in das Tagesgeschäft ein. Er hat genügend Führungskräfte, welche sich jeweils um ihre fachlichen Themen kümmern und baut auch ständig NachfolgerInnen auf für die älteren Führungskräfte. So ist auch für das Wissensmanagement gesorgt.
Ich finde das bemerkenswert und bin begeistert, wenn jemand sein Business so plant, dass es zum gewünschten Lebensstil passt!
Natürlich kann nicht jede Führungskraft so frei entscheiden. Aber vieles haben Sie selbst auch in der Hand!
Was tun bei Zeit- und Termindruck?
1) Gute Planung ist alles.
Führen Sie einen Online-Kalender. Schreiben Sie alle Ihre Aufgaben dort hinein und halten Sie so einen Überblick über Ihre To-Do’s, Termine und Fristen! Und wenn sich hier etwas nicht mehr ausgeht: dann muss wohl ein späterer Termin gefunden werden.
Geben Sie diesen Kalender auch für Ihre MitarbeiterInnen frei. Dies kann bei den meisten Anbieter auch so eingestellt werden, dass nur die Zeiten als verfügbar/nicht verfügbar angezeigt werden. So müssen Sie nicht alle Details einsichtig machen, wenn Sie das nicht wollen. Aber so machen Sie es anderen einfacher mit Ihnen einen Termin zu vereinbaren ohne 5 E-Mails herumzuschicken.
2) Setzen Sie Prioritäten und delegieren Sie!
Müssen Sie wirklich an jedem Meeting (selbst) teilnehmen? Können Sie das andere abgeben? Oft ist es besser mal 1 Stunde in die Einschulung einer Person zu investieren und dann langfristig sich gewisse Routineaufgaben zu ersparen.
Überlegen Sie bei nervigen Aufgaben: Ist das in 5 Jahren noch wichtig? Wird es eine Auswirkung haben, was Sie hier getan haben? So unterscheiden Sie klar zwischen „nur“ dringenden Aufgaben und wirklich wichtigen Tasks.
3) Routinen helfen
Führen Sie Routinen ein um regelmäßige Aufgaben geblockt abzuwickeln. Dann sind Sie schon gedanklich im Thema und arbeiten effizienter.
Warten Sie nicht darauf, dass Ihre Teammitglieder einzeln mit Problemen in Ihrer Tür stehen. Vereinbaren Sie einen wöchentlichen Jour-fixe und besprechen Sie hier aktuelle Angelegenheiten, Dinge, die alle hören sollten und reduzieren Sie damit Einzelgespräche, wo diese nicht notwendig sind.
Blocken Sie auch andere Aufgaben wie Arbeitszeit-Freigaben, Unterschriften auf Akten oder monatliche Reiseabrechnungen Ihres Teams.
4) Sorgen Sie für störungsfreie Zeiten.
Arbeitsunterbrechungen machen unproduktiv. Jeder von uns weiß das. Aber die wenigsten gehen systematisch dagegen vor.
- Blockieren Sie sich im Kalender einen „Termin mit sich selbst“. Während dieser Zeit erledigen Sie Aufgaben, die hohe Konzentration oder Kreativität benötigen.
- Leiten Sie hier Ihre Telefone weiter. Entweder an jemanden, mit dem Sie das abgesprochen haben oder auf Ihre Mobilbox.
- Schließen Sie Ihr E-Mail-Programm. Niemand stirbt, wenn Sie auf E-Mails 2 Stunden später antworten.
- Schließen Sie Ihre Türe. Das ist in der Regel ein klares Zeichen, dass Sie nicht gestört werden wollen.
- Nennen Sie eine konkrete Uhrzeit, wann es wieder geht, an Personen, die „kurz etwas fragen wollen“.
- Wenn Sie die Möglichkeit haben: Nutzen Sie Home-Office bewusst für diese kniffligen Aufgaben für die Sie Ruhe benötigen. Allein durch die physische Abwesenheit werden Sie weniger gestört.
- Nutzen Sie Tagesrandzeiten für diese Konzentrationsphasen. Früher war ich immer erst gegen 09:00 im Büro und dann läutete auch schon das Telefon mit KundInnen. Heute bin ich ab 7:30 im Büro und habe am Tagesbeginn genug Ruhe für wichtige Aufgaben. Und dann habe ich auch gleich das Erfolgserlebnis am Beginn und damit mehr Motivation für den Tag.
5) Betreiben Sie kein Mikromanagement, sondern Visions-Entwicklung!
Mischen Sie sich nicht in alles ein. Geben Sie Verantwortung auch ab und beweisen Sie dadurch Vertrauen. Müssen Sie persönlich wirklich jedes ausgehende E-Mail nochmals gegenlesen? Müssen Sie wirklich alle Statistiken auf Fehler überprüfen? Müssen Sie allein die Urlaubsplanung des Teams machen?
Kümmern Sie sich um die großen Visionen! Wenn Ihre MitarbeiterInnen, was das langfristige Ziel ist, dann werden Sie kleinere Entscheidungen leichter selbst treffen können.
Mit diesen Tipps schaffen Sie sich mehr Zeiträume für Ihre Kernaufgaben: Führungstätigkeiten!
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
Related items
- Brandschutz psychologisch betrachtet - Interview durch Christian Lüthi (VBSF)
- Firmen beeinflussen? So geht's laut den Top-HR-Influencern Österreichs
- Wie kann KI die Prävention unterstützen? Reportage von "sicher & gesund 5.0"
- Verhaltens- oder Verhältnisprävention? Kontinuum statt schwarz/weiß?
- Effektive Prompts für ChatGPT mit dem SOAR-Modell schreiben