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Bewusstsein zu schaffen ist nicht genug! Psychische Gesundheit in der Zukunft der Arbeitswelt

Im Zuge der Internationalen Woche der psychischen Gesundheit fand in Brüssel die Veranstaltung „The future of work and mental health“ statt. Veronika Jakl wurde für die Podiumsdiskussion eingeladen. Lesen Sie hier ihren Bericht:

Die Europäische Union hat schon mehrfach klargestellt, dass psychosoziale Risiken am Arbeitsplatz genau so zu behandeln sind wie körperliche Risikofaktoren. Aber viele europäische Staaten haben dies nicht so konsequent in die Gesetzgebung übernommen wie Österreich in seinem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz.

Österreichische ArbeitgeberInnen müssen seit 2013 klar auch psychische Belastungen evaluieren und Maßnahmen setzen. Und unsere ArbeitsinspektorInnen und Sozialpartner fahren hier eine klare Linie. Natürlich würde ich mir oft ein härteres Durchgreifen wünschen und einen noch konsequenteren Umgang mit dem Thema. Aber auf Europäischer Ebene sind wir in Österreich bereits sehr weit.

Betroffen, aber nicht leidend

Bei der Veranstaltung am 09.10.2019 in Brüssel wurde das Thema grundsätzlich breiter angelegt: den Start machte ein Betroffener, welcher selbst mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen hatte und sich nun für Peer-Systeme im Gesundheitswesen einsetzt. Die Key-Message seines Vortrags war, dass auch psychische Erkrankungen Vorteile im Arbeitsleben bringen können und so weit verbreitet sind, dass wir sie nicht stigmatisieren können.

Wie schauen die Zahlen aus?

Dann folgte der Schwenk zur Zukunft der Arbeitswelt mit den Stichworten: Digitalisierung, Beschleunigung der Arbeit, Schein-Selbstständigkeit und Veränderungen der Anforderungen an MitarbeiterInnen und auch Führungskräfte. Christopher Prinz von der OECD (Senior Labor Market Analyst) zeigte mit internationalen Statistik-Vergleichen die Realität abseits von Vermutungen und Glaskugel-Schätzungen. Ihm war besonders wichtig, dass die unterschiedlichen Stakeholder wie Arbeitsmarktservices und Gesundheitswesen stärker miteinander verwebt werden müssen um Menschen zu erreichen, die nach/trotz psychischer Erkrankungen im Erwerbsleben stehen.

Kann einmal jemand an die Jugend denken?

Dem Abschluss der Vorträge machte Nikita Sanaulla vom European Youth Forum. Sie brachte die Perspektive junger Menschen in der sich wandelnden Arbeitswelt ein. Viele Aspekte wurden hier angeschnitten: unsichere Arbeitsverhältnisse, ständige Erreichbarkeit, Arbeiten über Plattformen und schlechtere Work-Life-Balance durch den demographischen Wandel und die damit verbundene Pflege von Angehörigen. Ihre Take-Home-Message war: Nicht jeder Job ist besser als Arbeitslosigkeit. Die Qualität von Arbeit ist ein Kernthema!

Spannende Diskussionen

Und bei der abschließenden Podiumsdiskussion brachte ich die arbeitspsychologische Sichtweise ein. Gemeinsam mit Maria Teresa Moitinhode (?) Ameida von der DG Employment der Europäischen Kommission, Martin Jefflén, dem Präsidenten der Europäischen Vereinigung für Fach- und Führungskräfte EUROCADRES und Simone Mehrs vom Arbeitgeberverband der Spitäler HOSPEEM diskutierte ich, welche Fortschritte es bereits gab und welche Prozesse es noch braucht für eine psychisch gesunde Arbeitswelt.

Auch das Publikum, hochrangige ExpertInnen von europäischen Institutionen, brachte spannende Inputs und Sichtweisen ein.

Meine Kernaussagen waren...

  • Wir brauchen in Europa eine gemeinsame Sprache und Begrifflichkeiten um psychosoziale Risiken zu besprechen. Es hilft niemandem individuelle psychische Gesundheit, betriebliche Stressfaktoren und persönliches Stresserleben zu verwechseln und zu vermischen.
  • Es braucht mehr als Bewusstseinsbildung und nett gemeinte Kampagnen. Manager und Organisationen brauchen klare Handlungsanleitungen und Tools um dem Thema zu begegnen. Im Herzen wissen wir alle, wie wichtig das Thema ist. Aber viele tun sich schwer, es in der täglichen Führungsarbeit umzusetzen und wissen nicht, wie sie es angehen sollen. Dabei müssen ExpertInnen helfen.
  • Die digitale Zukunft der Arbeitswelt birgt viele Vorteile, aber auch Herausforderungen und Risiken, denen wir uns stellen müssen. Wir bleiben Menschen und keine Roboter!
  • Die Evaluierung psychischer Belastungen sollte in den kommenden 10 Jahren flächendeckend bei allen Europäischen ArbeitgeberInnen umgesetzt werden! Dazu braucht es Gesetzgebungen wie in Österreich und auch gut ausgebildete ArbeitsinspektorInnen!

 

Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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