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HRweb: Belastungen am Arbeitsplatz | Konkrete Schritte statt vager Ziele

HRweb: Belastungen am Arbeitsplatz |  Konkrete Schritte statt vager Ziele HRweb.at

Die Feststellung, welche psychischen Arbeitbedingungen an einem Arbeitsplatz herrschen, ist nur ein erster Schritt. Fast noch wichtiger ist dann die Nachbesprechung der Ergebnisse mit der jeweiligen Führungskraft.

Die Führungskraft versteht die problematischen Arbeitsbedingungen und kann den Stress der Mitarbeiter nachvollziehen? Super, dann geht es um die Planung der weiteren Schritte. 

Konkrete Hilfe zur Verbesserung

Bringen Sie als Moderator hier nicht nur allgemeine Ideen sein, sondern überlegen Sie gemeinsam die konkrete Umsetzung in der betroffenen Abteilung. Wer wird was bis wann tun?

Zu vage: „Einige MitarbeiterInnen sind unglücklich über den Telefondienst. Und einige Personen glauben, dass sie immer mehr Anrufen übernehmen als der Rest. Da sollte man mal drüber reden und das verbessern.“

Konkret: „Die aktuell freiwillige Übernahme von Kundentelefonaten in der Abteilung führt zu einer ungleichen Auslastung von Personen und zu gefühlter Unfairness. Es wird daher eine fixe, halbtageweise Einteilung der Telefondienste vorgeschlagen. So wissen immer 2 Mitarbeiter, dass sie in den kommenden 4 Stunden für die Kundentelefonate zuständig sind. Das ist planbar und gleichmäßig verteilt. Und alle anderen Mitarbeiter brauchen sich nicht in die Telefonvermittlung einwählen und haben Zeit für konzentrative Arbeiten.“

Das ist oft nicht einfach. Ein Blick über den Tellerrand kann helfen: Wo liegen die Ressourcen? Gibt es schon gute Beispiele im Unternehmen? Wer kann sonst noch helfen in der Organisation? (siehe Artikel: http://www.hrweb.at/2016/11/psych-belastungen-am-arbeitsplatz-gesetzeskonforme-verbesserungsvorschlaege-durch-gruppendiskussionen-erarbeiten/ )

 

Probezeiten reduzieren Ängste

Veränderungen können Angst machen. Vor allem, wenn man den Eindruck hat, dass man keine Kontrolle darüber hat oder es Ungewissheit darüber gibt, ob die Auswirkungen eine Verbesserung oder doch eine Verschlechterung darstellen.

Daher kann es helfen, Probezeiträume zu definieren. 

Beispiel: „Wir hatten bis vor 2 Jahren einen Jour fixe. Wir führen die Abteilungsbesprechung jetzt von Jänner bis März probeweise wieder ein mit fixer Tagesordnung. In der letzten März-Sitzung entscheiden wir gemeinsam, ob wir das beibehalten oder adaptieren wollen.“

Dies erweitert auch den gedanklichen Handlungsspielraum. Der Ausgang des „Experiments“ ist zwar immer noch ungewiss, aber man weiß, wann man etwas verändern können wird. Dies hilft aber nur denjenigen, die am den des Probezeitraum tatsächlich Einfluss nehmen können.

Manchmal brauchen auch solche Maßnahmen einige Zeit um zu wirken, weil man sich vielleicht an neue Abläufe gewöhnen muss und sich vor einer Beurteilung gewisse Routinen einspielen müssen.

Das ist ähnlich wie bei einer Ernähungsumstellung: Zuerst ist es ungewohnt. Erst nach einiger Zeit kann man feststellen, ob man dies langfristig umsetzen kann und will.

 

Was machen wir mit Problemen, die wir selbst nicht lösen können? 

Es kann auch vorkommen, dass ein Thema gar nicht innerhalb des Team selbst gelöst werden kann. 

Beispiel: „Die Mitarbeiter sehen keine großen Entwicklungsmöglichkeiten, weil die Organisationsstruktur nur wenige Hierarchieebenen hat und die Aufgaben sich nicht stark verändern können. Mitarbeitervermuten dies auch als Grund für die hohe Fluktuation.“

Dann muss geklärt werden: Wie geht man mit Meta-Themen um, die eigentlich die gesamte Firma betreffen? Wer kommuniziert an andere Stellen oder andere zuständige Hierarchieebenen?

Vor allem im Rahmen größerer Projekte (wie der Evaluierung psychischer Belastungen) gibt es oft einer Steuerungsgruppe, welche diese Kommunikationswege vorab festlegt.

„Der Chef soll sich ändern!“

Sollten sich die Mitarbeiter eine Verhaltensänderung der Führungskraft wünschen und diese vielleicht den Bedarf gar nicht einsieht, so kann man als Moderator wenig tun außer aufzuklären und Informationen bereitzustellen. 

  • Welche verschiedenen Sichtweisen gibt es auf die Arbeitsbedingung?
  • Welche Folgen wird eine Beibehaltung der aktuelle Situation haben?
  • Welche Vorteile hat eine potentielle Veränderung für die Führungskraft?

Sehen Sie es wie bei einem Raucher: Jemand, dem Zigaretten schmecken und der keine Nachteile spürt, wird nicht einfach aufhören.

Beispiel aus Mitarbeitersicht: „Man wird zwar meistens angehört, hat aber kein Mitspracherecht bei Aufgabenverteilung. Mitarbeiter werden nicht miteinbezogen. Wir wünschen uns eine Berücksichtigung von unseren Interessensgebieten bei der Vergabe von neuen Aufgaben.“

Beispiel aus Sicht der Führungskraft: „Die Aufgabenverteilung ist abhängig vom Gehaltsschema. Auch muss bei der Aufgabenverteilung die Auslastung berücksichtigt werden. Daher ist das zusätzlich Berücksichtigen von Interessen nicht möglich. Außerdem ist die Arbeitsgestaltung Aufgabe des Vorgesetzten.“

Sind jedoch Veränderungen der Arbeitsbedingungen geplant, so sollte man sich hier auch so weit wie möglich festlegen und smarte Ziele fixieren (Link: http://www.hrweb.at/2016/11/smarte-ziele-setzen/ ).

 

Nicht alles auf einmal. Nicht alles sofort.

Bei einer guten Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Belastungen kommen schon mal viele Ergebnisse auf den Tisch. Oft fühlt sich die Steuerungsgruppe bzw. die Führungskräfte von der Masse an Daten und potentiellen Stressfaktoren in der Organisation überwältigt.

Hier ist es essentiell zu sortieren:

  • Welche Arbeitsplätze sind besonders von Stressfaktoren betroffen?
  • Welche kritischen Ergebnisse müssen dringend bearbeitet werden?
  • Wo sind Maßnahmen wichtig, weil die langfristigen Folgen sich stark negativ auswirken würden?
  • Welche Maßnahmen sind rasch umsetzbar? („Quick-Wins“)
  • Welche Maßnahmen sind eine finanzielle Herausforderung und müssen deshalb erst im Budget eingeplant werden?

Was Firmen langfristig wirklich hilft, können Sie hier ( http://www.hrweb.at/2016/07/stress-am-arbeitsplatz ) nachlesen.

 

Nicht nur mündlich überlegen

Erstellen Sie auch ein schriftliches Protokoll nachreichen um die Besprechung nachwirken zu lassen. Manchmal sind Personen zu einem späteren Zeitpunkt aufgeschlossener, wenn sie Dinge öfters nachlesen konnten.

Klären Sie hier auch explizit: Was passiert mit Ergebnissen? Wo werden sie abgespeichert? Wer kann sie lesen?

Wenn Sie die weiteren Maßnahmen fixieren, geben Sie der Führungskraft auch noch die Möglichkeit auf die Formulierungen Einfluss zu nehmen. Manchmal entscheiden sprachliche Kleinigkeiten über Akzeptanz oder Reaktanz.

Wenn die Gespräche im Rahmen der Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Belastungen erfolgt sind, ist eine gesetzeskonforme Dokumentation notwendig. Die Stressfaktoren und Maßnahmen müssen in den „Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten“ beschrieben werden.

 

Originalartikel auf HRweb.at

Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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