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Ungebetene Ratschläge - Wie wirksam kommunizieren?

Menschen reagieren auf ungebetene Ratschläge meist negativ.

In der Podcast-Episode 185 spreche ich über die Reaktionen von Beschäftigten auf ungebetene und erwünschte Ratschläge und wie diese Ratschläge im Arbeitsumfeld wahrgenommen werden.

Ungebetene Ratschläge können oft als selbstsüchtig und bevormundend empfunden werden, während gebetene Ratschläge eher als nützlich und prosozial wahrgenommen werden.

Sie erfahren, warum das so ist und wie Sie als PräventionsberaterIn Ihre Ratschläge effektiver gestalten können, selbst wenn die MitarbeiterInnen Sie nicht darum gebeten haben. Ich zeige Ihnen also, wie Sie Ihre Ratschläge im Arbeitsumfeld optimieren können, um eine positive Wirkung zu erzielen. Damit Sie Ihre Empfehlungen so gestalten können, dass sie als nützlich und prosozial wahrgenommen werden.

Reale Geschichte:

Ich war gerade in der Küche und habe Mittagessen vorbereitet als meine Mutter reingekommen ist bei der Terrassentür und gesagt hat, dass sie einen Becher und ein Stück Papier braucht, um eine Hummel irgendwie vom Boden zu entfernen. Ich habe ihr das gegeben. Und dann kommt sie nach 30 Sekunden wieder und sagt, sie hat das erledigt und erklärt mir, wie sie das gemacht hat, so, als ob ich das noch nie gemacht hätte. Ich habe sie dann vollkommen irritiert angeschaut und gefragt: "Mama, glaubst Du echt, dass ich das in den letzten fast 40 Jahren noch nie gemacht habe?"

Das war ein absolut ungebetener Ratschlag. Der hat mich nur geärgert, weil ich mich wie ein kleines Kind gefühlt habe.

Weitere reale Geschichte:

Ich war am Weg mit dem Auto ins Büro und habe mich gefreut, als ich einen Parkplatz in der Nähe entdeckt habe, weil ich schon spät dran war und es war alles schon sehr vollgeparkt. Also: Ich freue mich und parke mich ein. Neben mir bleibt dann eine Streife stehen und deutet ganz hektisch auf ein Straßenschild: Ich habe nicht gesehen, dass ich hier auf Motorradparkplätzen parke. Also habe ich mich bedankt, bin weitergefahren und habe einen anderen Parkplatz gesucht.

Das war ein ungebetener Ratschlag, aber ich habe ihn gerne angenommen.

Warum ist das Thema wichtig?

Ungebetene Ratschläge können das Selbstwertgefühl des Empfängers oder der Empfängerin beeinträchtigen und als bevormundend wahrgenommen werden. Dies kann dazu führen, dass solche Ratschläge als weniger nützlich angesehen und seltener umgesetzt werden. Nur glauben Sie nicht, dass Leute Ratschläge immer gerne annehmen und umsetzen, nur weil sie vorher darum gebeten haben. So einfach ist es leider nicht. Aber Sie haben die Chance, dass Ihre Ratschläge durch gezielte und einladende Kommunikation besser angenommen werden.

Warum erzähl ich Ihnen das?

Ich bin auf einen Fachartikel gestoßen: In dem Artikel von Landis, Fisher und Menges (2022) "How employees react to unsolicited and solicited advice in the Workplace: Implications for using advice, learning, and performance" (Universität Zürich) wurde untersucht, wie MitarbeiterInnen auf ungebetene (nicht angeforderte) und gebetene (angeforderte) Ratschläge reagieren.

Studienaufbau

Die Forscher führten drei verschiedene Studien durch, um ihre Hypothesen zu testen. Jede Studie hatte einen anderen Ansatz, um möglichst umfassende Ergebnisse zu erhalten.

Studie 1: Soziale Netzwerkanalyse

  1. TeilnehmerInnen: 131 MitarbeiterInnen aus drei Marketingagenturen in Großbritannien

  2. Methode: Die TeilnehmerInnen wurden befragt, von welchen KollegInnen sie in den letzten sechs Monaten Ratschläge erhalten hatten – sowohl ungebeten als auch gebeten.

  3. Fragen: Die MitarbeiterInnen sollten angeben, ob sie die Ratschläge als nützlich empfanden und welche Motive sie den Ratgebern zuschrieben (z.B. selbstsüchtige oder prosoziale Motive).

  4. Ergebnisse: Es wurde festgestellt, dass ungebetene Ratschläge oft als selbstsüchtig wahrgenommen wurden und daher weniger nützlich erschienen. Gebetene Ratschläge wurden als prosozial wahrgenommen und als nützlicher bewertet.

Studie 2: Erfahrungserhebung im Alltag

  1. TeilnehmerInnen: 107 MitarbeiterInnen aus den Niederlanden, die täglich mit KollegInnen interagieren

  2. Methode: Über einen Zeitraum von zehn Arbeitstagen wurden die TeilnehmerInnen täglich befragt, ob sie an diesem Tag ungebetene oder gebetene Ratschläge erhalten hatten.

  3. Fragen: Die TeilnehmerInnen gaben an, welche Motive sie hinter den erhaltenen Ratschlägen vermuteten und wie nützlich sie diese empfanden. Zudem bewerteten sie, ob sie aus den Ratschlägen etwas gelernt hatten und ob diese ihre Arbeitsleistung verbesserten.

  4. Ergebnisse: Auch hier wurden ungebetene Ratschläge als weniger nützlich und eher selbstsüchtig wahrgenommen, während gebetene Ratschläge als hilfreicher und prosozialer eingeschätzt wurden.

Studie 3: Experiment

  1. TeilnehmerInnen: 629 MitarbeiterInnen, die über Amazon Mechanical Turk rekrutiert wurden

  2. Methode: Die TeilnehmerInnen erhielten eine hypothetische Arbeitssituation, in der sie entweder ungebetene oder gebetene Ratschläge von einem/einer FreundIn oder einem/einer KollegIn erhielten.

  3. Fragen: Sie sollten angeben, welche Motive sie hinter den Ratschlägen vermuteten und wie nützlich sie diese empfanden. Zudem wurde untersucht, ob die Beziehung zum Ratgeber (FreundIn oder KollegIn) die Wahrnehmung der Ratschläge beeinflusste.

  4. Ergebnisse: Wieder zeigte sich, dass ungebetene Ratschläge als selbstsüchtiger wahrgenommen wurden, unabhängig davon, ob sie von einem Freund oder einem Kollegen kamen. Gebetene Ratschläge wurden als nützlicher und prosozialer wahrgenommen.

Fazit

Durch die Kombination von Befragungen, täglichen Erhebungen und Experimenten konnten die Forscher zeigen, dass ungebetene Ratschläge oft negativ wahrgenommen werden und weniger effektiv sind. Gebetene Ratschläge hingegen werden positiver bewertet und führen eher zu Verbesserungen in der Arbeit. Diese Ergebnisse sind wichtig, um zu verstehen, wie man Ratschläge im Arbeitsumfeld effektiv einsetzt.

Erkenntnisse der Literatur

Menschen reagieren auf ungebetene Ratschläge meist negativ. Hier sind die wichtigsten Punkte, die sich aus der Literatur ergeben:

  1. Wahrnehmung der Motive: Ungebetene Ratschläge werden oft als selbstsüchtig wahrgenommen. EmpfängerInnen vermuten häufig, dass der/die RatgeberIn versucht, sich selbst zu profilieren oder seine Überlegenheit zu demonstrieren. Diese Wahrnehmung führt dazu, dass der Ratschlag als weniger nützlich und weniger vertrauenswürdig betrachtet wird​​. Wenn man das Gefühl hat, dass ein Ratschlag aus prosozialen Gründen gegeben wurde (und nicht aus selbstsüchtigen Gründen), dann verändert man eher sein Verhalten oder seine Entscheidungen in diese Richtung.

  2. Selbstwertgefühl und Autonomie: Ungebetene Ratschläge können das Selbstwertgefühl des Empfängers oder der Empfängerin beeinträchtigen, da sie implizieren, dass dieser oder diese unfähig ist, eine Aufgabe eigenständig zu bewältigen. Dies kann zu einem Verlust an Autonomie und einem Gefühl der Unterlegenheit führen​​.

  3. Konsequenzen für die Nutzung des Ratschlags: Wegen der negativen Wahrnehmungen nutzen EmpfängerInnen ungebetene Ratschläge seltener und profitieren weniger davon in Bezug auf Lernen und Leistung. Diese Ratschläge werden auch als weniger hilfreich eingeschätzt.

  4. Freundschaft als moderierender Faktor: Es wurde angenommen, dass Ratschläge von FreundInnen weniger negativ wahrgenommen werden könnten. Allerdings zeigte die Forschung, dass selbst Ratschläge von FreundInnen als weniger hilfreich angesehen werden, wenn sie ungebeten sind. Die Freundschaft moderierte die negative Wahrnehmung nicht signifikant​​.

Insgesamt zeigt sich, dass ungebetene Ratschläge häufig negativ aufgenommen werden und ihre beabsichtigte positive Wirkung auf Lernen und Leistung nicht entfalten können, da sie als selbstsüchtig und entmündigend empfunden werden.

Tipps für Sie als PräventionsberaterIn:

Wichtig, um den Umgang mit Beschäftigten und Führungskräften zu verbessern und die Effektivität ihrer Gesundheitsinitiativen zu steigern, ist:

  1. Ungebetene Ratschläge vermeiden: Da ungebetene Ratschläge oft als selbstsüchtig oder bevormundend wahrgenommen werden, sollten BGM-ManagerInnen darauf achten, Ratschläge nur dann zu geben, wenn sie ausdrücklich darum gebeten werden. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Ratschläge als nützlich und hilfreich empfunden und tatsächlich umgesetzt werden.

  2. Motivation klar kommunizieren: Es ist wichtig, die Motivation hinter den Ratschlägen klar zu kommunizieren und sicherzustellen, dass die Beschäftigten verstehen, dass die Empfehlungen zu ihrem Wohl und nicht aus Eigeninteresse gegeben werden. Dies kann helfen, die Ratschläge als prosozial wahrzunehmen und ihre Akzeptanz zu erhöhen.

  3. Einbeziehung der Beschäftigten: Die Einbeziehung der Beschäftigten in den Prozess der Gesundheitsförderung kann dazu beitragen, dass sie die Maßnahmen eher annehmen. Indem man die Beschäftigten nach ihren Meinungen und Wünschen fragt, können die Ratschläge besser auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und als weniger aufdringlich empfunden werden.

  4. Vertrauensvolle Beziehungen aufbauen: Obwohl Freundschaft und Vertrauen die negativen Wahrnehmungen von ungebetenen Ratschlägen nicht vollständig aufheben, sollten BGM-ManagerInnen daran arbeiten, eine vertrauensvolle und respektvolle Beziehung zu den Beschäftigten und Führungskräften aufzubauen. Dies kann langfristig die Bereitschaft erhöhen, Ratschläge anzunehmen und umzusetzen.

  5. Proaktive Kommunikation fördern: BGM-ManagerInnen sollten eine Kultur fördern, in der das Einholen von Ratschlägen und Feedback als normal und positiv angesehen wird (auch das Sprechen über eigene Probleme oder Nicht-Wissen).

  6. Positives Feedback geben: Wenn Ratschläge befolgt werden, sollten BGM-ManagerInnen positives Feedback geben und die positiven Ergebnisse hervorheben. Dies kann die Motivation und das Vertrauen in die gegebenen Ratschläge stärken und die Bereitschaft erhöhen, auch in Zukunft Ratschläge einzuholen.

Durch diese Ansätze können BGM-ManagerInnen sicherstellen, dass ihre Tipps und Empfehlungen zur Gesundheitsförderung im Arbeitsalltag besser angenommen und umgesetzt werden, was letztlich zu einem gesünderen und produktiveren Arbeitsumfeld führt.

Beispiele:

Unpassende Formulierung:

"Sie sollten unbedingt mehr Pausen machen und sich gesünder ernähren. Es ist klar, dass Sie momentan nicht auf Ihre Gesundheit achten."

Diese Formulierung ist unpassend, weil sie:

  1. Bevormundend klingt: Sie impliziert, dass der Empfänger oder die Empfängerin nicht in der Lage ist, selbstständig auf die eigene Gesundheit zu achten.

  2. Kritisch wirkt: Sie hebt nur die negativen Aspekte des aktuellen Verhaltens hervor und kann defensives Verhalten auslösen.

  3. Allgemein und unspezifisch ist: Sie bietet keine konkreten, umsetzbaren Schritte.

Passende Formulierung:

"Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen einige Tipps geben, wie Sie kurze Pausen in Ihren Arbeitstag integrieren und gesunde Snacks einfach zubereiten können. Ich habe einige Strategien gefunden, die für viele unserer KollegInnen gut funktioniert haben und die zu mehr Energie und Wohlbefinden führen."

Diese Formulierung ist passend, weil sie:

  1. Einladend und respektvoll ist: Sie bietet Hilfe an, ohne den Eindruck zu erwecken, dass der Empfänger oder die Empfängerin unfähig ist.

  2. Positiv und ermutigend klingt: Sie konzentriert sich auf die Vorteile der vorgeschlagenen Maßnahmen.

  3. Konkret und umsetzbar ist: Sie bietet spezifische Strategien an, die leicht in den Alltag integriert werden können.

Wenn Sie das Thema Gesprächsführung im Kontext von BGM und Arbeitssicherheit interessiert, dann empfehle ich Ihnen den Online-Kongress "Pioniere der Prävention" von 09. bis 11.09.2024. Ich gebe hier auch eine Session zu emotionaler Intelligenz für PräventionsexpertInnen. Und es gibt eine Session mit Coachingtechniken und auch eine über das Führen von Verhandlungen.

Aufgabe der Woche:
Achten Sie bewusst darauf, Ratschläge nur dann zu geben, wenn sie ausdrücklich darum gebeten werden, und auch Ihre Motivation klar zu kommunizieren.

Feedback und Fragen an Veronika Jakl:
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Veronika Jakl auf LinkedIn:
Hier geht es zur Online-Akademie "Pioniere der Prävention":
Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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