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Arbeitssicherheit Schweiz: Entwicklungen, Trends und Herausforderungen

Anfang Juni 2024 war ich auf der Messe "Arbeitssicherheit Schweiz" und dort habe ich mehrere ExpertInnen interviewt.

In dieser Podcast-Episode 183 sprechen wir also über die Veränderungen in den letzten zehn Jahren und die zukünftigen Entwicklungen & Chancen in der Branche – mit speziellem Fokus auf die Schweiz.

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Ich war nach Zürich eingeladen, um eine Keynote zu halten über bedürfnisorientiertes Motivieren von Beschäftigten und Führungskräften. Und wenn ich schon mal in der Schweiz bin, habe ich natürlich viele Pioniere der Prävention persönlich getroffen und auch viele Podcast-HörerInnen, was mich wirklich gefreut hat. Jedenfalls habe ich natürlich die Gelegenheit genutzt und viele Menschen vor mein Mikrofon gebeten.

Nachdem die Arbeitssicherheit Schweiz nun schon seit 20 Jahren alle 2 Jahre stattfindet, habe ich dieses Jubiläum zum Anlass genommen für Gespräche über die vergangenen Veränderungen und die kommenden Herausforderungen in der Schweizer Präventionslandschaft.

Nachdem mir 20 Jahre zu lang erschienen sind und manche von meinen GesprächspartnerInnen noch nicht sooo lange mit dabei sind, habe ich 10 Jahre zurück geblickt und auch 10 Jahre nach vorne als Zeitraum gewählt.

Ich lasse heute also einige Pioniere der Prävention dazu zu Wort kommen, wie sich die Arbeitssicherheitsbranche in den letzten Jahren verändert hat und welche Entwicklungen in der Zukunft erwartet werden. Damit Sie ein klares Bild von den aktuellen Trends und Herausforderungen in der Arbeitssicherheit bekommen.

Als besonderes Zuckerl habe ich auch den Podcaster-Kollegen und Geschäftsführer der Arbeitssicherheit Schweiz, Alexander Petsch, vors Mikrofon gebeten.

Was waren die größten Veränderungen der letzten zehn Jahre?

Starten wir mit Andreas Schwenk, Sicherheitsfachmann bei einer Gerüstbaufirma:
"Also die größten Veränderungen sind sicher die geänderten Vorschriften hier in der Schweiz. Jetzt die Änderung der Bauarbeitenverordnung, die überarbeitet wurde. Die Anforderungen steigen, es wird immer mehr im Bereich Arbeitssicherheit verlangt." Er erzählt auch, dass das auch Probleme für die Unternehmen bedeutet und immer häufiger auch Sanktionen angewendet werden.

Auch Marcel Mayer, selbstständiger Sicherheitsfachmann mit Spezialwissen im Bausektor, sieht das ähnlich mit den geänderten Vorschriften:
"Ich bin ja auf dem Bau tätig vor allem in dieser Branche. Und hier hat sich vor allem vor 2 Jahren mit der neuen gesetzlichen Grundlage vieles aufgetan. Vieles wurde verschärft, vieles wurde klarifiziert entsprechend. Das ist aber gleichzeitig auch jetzt oft die Herausforderung, dies überhaupt hinzukriegen."
Die Bedeutsamkeit und die Wichtigkeit eines sicheren Arbeitsplatzes ist, laut Marcel Mayer, gewachsen. Aber es gibt natürlich noch Potential nach oben.

Andreas Mayer, Ausbildungsleiter vom Institut MIT Sicherheit, sieht es kritisch, dass es oft nur noch um Formalitäten geht und nicht mehr um die Eigenverantwortung.

Petra Weidmann, Spezialistin für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz hat ebenfalls die Auswirkungen der neuen Gesetzgebung hervorgehoben und deren Auswirkung auf den Aufwand in Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz:
"Ein wesentlicher Punkt ist sicher, dass die Gesetzgebung immer wieder angepasst wird an die Bedürfnisse, an die Erfahrungen, die Notwendigkeiten. Das bedeutet auch eine Herausforderung für die Arbeitgeber und auch für die Sicherheitsbeauftragten, für die Kontaktpersonen für Arbeitssicherheit, die Aufgaben der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes im Betrieb umzusetzen. Das heißt, dass auch die Pensen, die Arbeitspensen, in diesem Bereich angepasst werden müssen."

Auch Andreas Schwenk sieht hier Veränderungen und Handlungsbedarf, da seiner Meinung nach die psychosozialen Risiken steigen, wie z.B. Überlastung. Er stellt hier einen Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel fest.

Ralph Jaschek, Experte für Softwarelösungen in der Arbeitssicherheit, hat natürlich über die fortschreitende Digitalisierung gesprochen:
"Oh ja, da ist viel gegangen. Und ein Thema ist natürlich die Digitalisierung heute. Vernetzung der Produkte, man spricht auch von digitaler PSA und so weiter, das sind wichtige Themen, die jetzt langsam aufkommen."

Christian Lüthi, Leiter des Ausbildungsinstituts SIOP, ist insgesamt sehr positiv gestimmt über die Entwicklungen, da er glaubt, dass sich das Bewusstsein verändert hat und Arbeitssicherheit nun langsam in gewissen Köpfen angekommen ist. 

Auch Alexander Petsch, Geschäftsführer vom HRM Institute und der Messe Arbeitssicherheit Schweiz, sieht, dass sich hier viel getan hat, was den Umgang mit PSA bzw. die Unterstützung von echtem Sicherheitsbewusstsein angeht. Er spricht über den "höchsten Hebel".

 

Die Zukunftsvorstellungen für die nächsten zehn Jahre:
Welche Trends und Herausforderungen erwarten die ExpertInnen?

Andreas Schwenk sagt dazu:
"Mit den neuen Generationen, die kommen, werden andere Ansprüche und Ideologien auf uns zukommen. Im Bereich psychosoziale Risiken wird es Anpassungen brauchen, insbesondere bei der Arbeitsplatzgestaltung und Ergonomie."

Und auch Petra Weidmann will noch mehr Aktivitäten der Betriebe bei psychosozialen Risiken.

Valena Frey, Psychologin bei der Suva, betont die Wichtigkeit der psychischen Gesundheit und die kulturellen Veränderungen in der Präventionskultur.
"Ich glaube die Themen von der psychischen Gesundheit werden sicher noch mehr an Stellenwert gewinnen. Das wird eine große Herausforderung für die ganze Branche. ... Ich glaube, um das wirklich tun zu können, braucht es einen aktiven Dialog mit allen Akteuren im Unternehmen. Also ich glaube nicht, dass das etwas ist, was jemand alleine bestimmen kann."

Auch Christian Lüthi sieht hier Herausforderungen und gleichzeitig eine große Wichtigkeit:
"Ein großes Thema wird Gesundheitsschutz sein, psychosoziale Risiken. Das stelle ich mir als große Herausforderung vor. Weil es ist nicht nur noch technische Arbeitssicherheit, denn das, denke ich, haben ganz viele schon verstanden, wie das funktioniert. Aber einfach das, was nicht direkt greifbar ist."

Mir ist auch bei der Arbeitssicherheit Schweiz aufgefallen, dass die Vorträge, die psychologische Inhalte geboten haben, extrem gut besucht waren! Diese waren in der Regel übervoll.

Hingegen die Messestände:
Der Schwerpunkt lag mehr auf PSA, Software und Ausbildungsangeboten. Wie so oft. Aber psychologische Inhalte sind auch sehr schwierig auf Messeständen zu zeigen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß ;)

Petra Weidmann hofft auf mehr Unterstützung durch künstliche Intelligenz und durch Frauen.

Auch Marcel Mayer sieht die Digitalisierung gekommen um zu bleiben. Diese wird weiterhin ein großes Thema sein, besonders im Bauwesen, denn es gibt viele neue Tools und Technologien.

Auch Ralph Jaschek denkt an verzahnte Technologien und KI in der Zukunft.

Inglina Keller, Psychologin und Präventionsberaterin bei der SUVA, betont in dem Zusammenhang auch die Bedeutung der psychischen Gesundheit und gibt auch gleich Tipps, wie man hier gut in Organisationen vorgehen kann:
"Das Thema psychische Gesundheit ist überall präsent." Sie spricht auch darüber, dass die Digitalisierung zusätzliche Stressfaktoren mit sich bringt und dass es wichtig ist, dass Organisationen beginnen, sich diesen Herausforderungen zu stellen und kleine Schritte zur Verbesserung unternehmen.

Andreas Schwenk hat am Anfang ja auch schon ergonomische Hilfsmittel allgemein angesprochen. Auch Marcel Mayer hebt die Wichtigkeit der Unterstützung durch Exoskelette hervor.
"Ich sehe eine Zukunft in den Exoskeletten, die die Menschen gesundheitlich unterstützen können, weniger müde nach Hause zu kommen. Und das wirkt sich dann positiv auf den Abend, aber auch auf den Lebensabend aus."

Christian Lüthi spricht über sein großes Ziel, nämlich, dass das Ziel ist, dass es uns SpezialistInnen für Arbeitssicherheit nicht mehr braucht, wenn sich alle so verhalten, dass Arbeitssicherheit einfach dazugehört, wie atmen.

Und Marcel Mayer betont zum Abschluss die authentische Unterstützung der Führungskräfte. Dass das Wichtigste ist, dass die Geschäftsleitung ein klares Leitbild und klare Leitziele definiert.

 

Interview mit Alexander Petsch

Alexander Petsch ist Geschäftsführer vom HRM Institute und der Messe Arbeitssicherheit Schweiz. Er gibt uns wertvolle Einblicke in die Veranstaltung, die Teilnehmenden und die Themenveränderungen der letzten Jahre.

Er führt aus, dass sich die Arbeitssicherheit Schweiz total schön entwickelt hat, dass es dieses Jahr 30 % mehr Aussteller im Vergleich zum Vorjahr gibt und auch die Besucherzahlen steigen.

Alexander Petsch: "Das Thema Arbeitssicherheit, auch psychische Gesundheit, die weichen Faktoren auf der einen Seite werden immer wichtiger. Aber auch das Thema Corporate Fashion ist ein total spannendes Thema, das sich aus meiner Wahrnehmung in den letzten 10 Jahren total spannend entwickelt hat und einen ganz anderen Stellenwert eingenommen hat."

Alexander Petsch spricht auch über die Schnittstelle zwischen HR und Arbeitssicherheit und dass das ein großes Thema ist, besonders wenn es um die Reduzierung von Fehlzeiten und die psychischen Belastungen geht.

Auch in Bezug auf die kommenden Entwicklungen mit Digitalisierung und Exoskeletten, die wir vorhin auch schon angesprochen haben, hat Alexander Petsch eine Einschätzung. Nämlich, dass wir hier erst am Anfang stehen und alle Konsequenzen vielleicht noch gar nicht absehen können.

Er denkt, dass wir die Digitalisierung und ihre Konsequenzen noch gar nicht vollständig durchdacht haben. Es gibt viele Entwicklungen, besonders im Bereich der psychischen Belastungen und der Automatisierung, die weiter betrachtet werden müssen. Und auch das Thema Homeoffice und die damit verbundenen ergonomischen Herausforderungen sind wichtige Punkte, die man nicht außer Acht lassen darf.

Hören Sie sich das Interview mit Alexander Petsch und all die anderen Stimmen im Podcast komplett an!

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Arbeitssicherheitsbranche in den letzten zehn Jahren stark verändert hat, vor allem durch neue Vorschriften, die Bedeutung der psychischen Gesundheit und die Digitalisierung. Für die nächsten zehn Jahre erwarten die ExpertInnen weitere Entwicklungen in diesen Bereichen sowie den verstärkten Einsatz von künstlicher Intelligenz.

 

Feedback und Fragen an Veronika Jakl:
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Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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