So wirkt Führung auf Psyche der MitarbeiterInnen
Das Menschenbild von Vorgesetzten und damit ihr tägliches Führungsverhalten haben wissenschaftlich belegten Einfluss auf die Beschäftigten, u.a. auf Blutdruck, muskuloskelettale Beschwerden, Immunerkrankungen und psychische Erkrankungen wie Burnout.
Diese Dinge sollten Sie kennen und erkennen, wenn Sie in der betriebliche Prävention unterwegs sind. Darum geht es hier um den großen Einfluss von Führungskräften auf die Psyche von Beschäftigten. Ich zeige Ihnen Studienergebnisse und Indikatoren, woran Sie solche schädlichen Führungskräfte erkennen können. Damit Sie gezielt helfen können, wenn Sie für betriebliche Gesundheit zuständig sind.
Jeder von uns hat in seinem Berufsleben sicher schon motivierende Führungskräfte gehabt, aber auch stressige Vorgesetzte:
- Ich kann mich gut an eine Chefin erinnern, die uns MitarbeiterInnen viele Freiräume gelassen hat, auch bei gravierenden Fehlern ruhig geblieben ist und die Fehlerquellen sachlich gesucht hat um für die Zukunft zu lernen.
- Und ich hatte schon einen Chef, der einfach alles kontrolliert hat. Jedes E-Mail, das die Abteilung nach draußen verließ, musste über seinen Schreibtisch. Obwohl es eine akademisch-wissenschaftliche Abteilung mit hochqualifizierten Leuten war!
Und in unzähligen Workshops von mir rund um Stressfaktoren drehen sich ganz viele Gespräche um den herrschenden Führungsstil in einer Organisation oder von einem Vorgesetzten.
In einem Extremfall wird die Führungskraft als großartiger Motivator und "Retter der Abteilung" gesehen. Und im anderen Extremfall weinen MitarbeiterInnen, wenn sie vom negativen Umgang der Abteilungsleitung mit ihnen berichten.
Warum ist das Thema jetzt wichtig fürs Gesundheitsmanagement?
Ich bin eine Verfechterin von verhältnisorientierten Maßnahmen, d.h. an der Quelle des Problems anzusetzen. Manchmal ist die Quelle des Problems das Verhalten der Führungskraft. Dies zu erkennen und dann Rahmenbedingungen so zu verändern, dass Verhalten geändert wird, ist die hohe Kunst, aber extrem hilfreich!
Mehr dazu in Episode 25 - "Das STOP Prinzip gegen psychische Belastungen"
Wir wollen ja dazu beitragen, dass die Beschäftigten gesund bleiben. Da müssen wir auch erkennen, wenn es schädliche Einflüsse gibt seitens der Führungskräfte.
Woran erkennt man einen Führungsstil?
Welches Führungsverhalten ist aus psychologisch-objektiver Sicht relevant? Einen Führungsstil als außenstehende Person (Personalabteilung, Betriebsrat, Arbeitspsychologie, …) zu beurteilen ist gar nicht so einfach. Man braucht in der Regel einige Zeit um Muster zu erkennen. Das "Bauchgefühl" oder der erste Eindruck sind hier oft trügerisch!
Hier sind ein paar Merkmale, an denen man sich orientieren kann:
- Wie viele Freiheitsgrade haben die Beschäftigten bzw. wie viele Dinge sind fix vorgeschrieben ohne die Erlaubnis davon abzuweichen?
- Sind die Aufgaben manchmal widersprüchlich (z.B. möglichst schnell und möglichst genau arbeiten)?
- Wie häufig gibt es Besprechungen in der Abteilung?
- Werden MitarbeiterInnen bei der Entwicklung neuer Produkte oder neuer Arbeitsabläufe eingebunden? Wie funktionieren diese Entscheidungsprozesse?
- Wie funktioniert die Abteilung in Abwesenheit der Führungskraft (z.B. bei Urlaub), wenn unvorhergesehene Dinge passieren?
Was bewirkt ein "schlechter Führungsstil"?
Es gibt Führungsstile, die (wissenschaftlich belegt) krank machen. Kurzfristig oder langfristig. Natürlich nicht immer und nicht jede/n Mitarbeiter/in. Aber grundsätzlich einen "Durchschnittsmitarbeiter" schon.
Folgende Studienergebnisse gibt es hier:
- Mangelnde soziale Unterstützung durch die Führungskraft bewirkt erhöhte Fehlzeiten von MitarbeiterInnen. Wahrgenommene Unterstützung bezeichnet die Einschätzung, von einer Person sozial unterstützt werden zu können, falls Bedarf besteht.
- Zu wenig Belohnungen (im Sinne von pünktlichem Gehalt, Aufstiegsmöglichkeiten, Wertschätzung, …) erhöhen den Blutdruck, vor allem bei Männern, und verschlechtern das Immunsystem.
- Handlungsspielräume zu geben und die Beschäftigten beteiligen, ist gesundheitsförderlich. Geringe Handlungsspielräume erhöhen die Wahrscheinlichkeit für muskuloskelettale Beschwerden und Immunerkrankungen bzw. verstärken bestehende Beschwerden.
- Sinn zu stiften und die Bedeutung der Arbeit für andere erklären, erhöht die Arbeitszufriedenheit bei Beschäftigten.
- Transformationale und mitarbeiterorientierte Führung ist hingegen gesundheitsförderlich. Es reduziert Stresssymptome und Burnout-Aspekte. Transformationale Führungskräfte versuchen, ihre MitarbeiterInnen intrinsisch zu motivieren, indem sie beispielsweise attraktive Visionen vermitteln, den gemeinsamen Weg zur Zielerreichung kommunizieren, als Vorbild auftreten und die individuelle Entwicklung der MitarbeiterInnen unterstützen.
Wichtig ist auch zu sagen, dass Führungskräfte eine große Vorbildwirkung auf ihre MitarbeiterInnen haben! Sie legen meistens die soziale Norm fest hinsichtlich Pausengestaltung (Wie oft? Wie lange? Was wird gesprochen?), Umgang mit Krankenstand, Erreichbarkeit im Urlaub über das Smartphone etc. Und darüber haben sie auch einen großen Einfluss auf die psychische Gesundheit ihres Teams.
Aber so bin ich nun mal!
Viele Führungskräfte sind der Überzeugung, dass bestimmte Verhaltensweisen einfach "so sind". Man hört zum Beispiel oft Aussagen wie: "Mir liegt es halt nicht, immer 'Danke' zu sagen. Ich brauche das selbst ja auch nicht immer zu hören."
Natürlich hat jede Person ihren eigenen Stil, ihre eigene Persönlichkeit und hat ihre eigenen Erfahrungen im Gepäck. Und das ist auch gut so!
Der eigene Führungsstil entwickelt sich nicht von heute auf morgen und ist von ganz vielen Faktoren abhängig. Deshalb kann man sich auch nicht von jetzt auf gleich verändern indem, wie man sich den MitarbeiterInnen gegenüber verhält.
Aber man sollte sich schon im Klaren darüber sein, dass auch die MitarbeiterInnen vielleicht anders ticken als man selbst. Das ist leider ein klassischer Denkfehler, dass man von sich auch auf andere schließt.
In meinem Buch "Aktiv führen - So schaffen Sie motivierende Arbeitsbedingungen" gibt's viele Tipps für Führungskräfte. Mitglieder der Online-Akademie "Pioniere der Prävention" können sich das Buch online downloaden in der Bibliothek.
Man hat auch in diesen Experimenten und Untersuchungen herausgefunden, dass der wirkungsvollste Führungsstil auch situationsabhängig ist. In Krisenzeiten werden andere Entscheidungen benötigt und die MitarbeiterInnen haben andere Informationsbedürfnisse als in Zeiten von Innovation und Wachstum.
Aber das "Schauspielern einer Führungsrolle" ist auch nicht der Sinn dahinter. Dann wird das nämlich auf Dauer für die Führungskraft stressig und anstrengend. Es geht vielmehr darum sich selbst zu reflektieren und vielleicht manche Dinge bewusster zu tun.
Viele Aspekte von Führungsverhalten haben einen direkten und indirekten Einfluss auf die Gesundheit der Beschäftigten. Es ist daher wichtig, dass sich Führungskräfte ihrer Wirkung bewusst sind und (im Normalfall) bewusst mit dieser Verantwortung umgehen.
Mögliche Aufgabe:
Hinter jedem Führungsstil steckt auch immer ein gewisses Menschenbild, also eine Vorstellung darüber wie Menschen "funktionieren". Hinterfragen Sie auch gerne mal bei Führungskräften oder hören Sie in Gesprächen heraus:
- Glaubt die Führungskraft, dass Menschen auch dann gut arbeiten, wenn man sie nicht kontrolliert?
- Glaubt die Führungskraft, dass Menschen gerne freiwillig arbeiten gehen?
- Glaubt die Führungskraft, dass man in der Arbeit die Gefühle von Beschäftigten beachten sollte?
- Glaubt die Führungskraft, dass Menschen immer gleich behandelt werden wollen oder kann sie sich vorstellen, dass man an unterschiedlichen Tagen auch unterschiedliche Bedürfnisse hat?
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
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