Menu

Das STOP Prinzip gegen psychische Belastungen

Ich zeige Ihnen, wie Sie das bewährte Stop-Prinzip der Prävention auch auf psychische Belastungen anwenden können. Damit Sie auch als Fachkraft für Arbeitssicherheit Unternehmen weiterhelfen können bei diesem schwierigen Thema.

 

Obwohl das Thema seit Jahren gesetzlich verankert ist in ganz Europa, gibt es immer noch viele Missverständnisse rund um arbeitsbedingte psychische Belastungen. Regelmäßig fragen mich v.a. Fachkräfte für Arbeitssicherheit: "Wie kann man denn gegen psychische Belastungen wirklich Maßnahmen setzen? Die Leute sind doch heutzutage immer so gestresst. Da kann doch die Firma nichts machen."

Deshalb geht es heute kurz um den Unterschied zwischen psychischen Belastungen und Beanspruchungen. Und dann zeige ich Ihnen das geniale STOP-Prinzip, das ich IMMER verwende, wenn ich Maßnahmen gegen psychische Belastungen entwickle. Denn mit diesem Prinzip können auch Sie wirklich hilfreiche Maßnahmen empfehlen, selbst wenn Sie nicht Psychologie studiert haben.

Zuvor möchte ich mich noch ganz herzlich bei 2 Menschen bedanken, nämlich bei Anne Katrin Matyssek und Christof Korn. Herr Korn ist Sozialberater und Personalentwickler im öffentlichen Dienst. Er hält einen Vortrag beim Kongress von Frau Matyssek. Hören Sie mehr dazu im Podcast.
Ich freue mich so sehr, dass Herr Korn meine Tipps aus der Podcast-Episode Nr. 2 - "Erfolg entsteht beim Blick über den Tellerrand" - gleich in die Tat umgesetzt hat! Und für alle, die über den Tellerrand schauen und sich gern den Vortrag von Herrn Korn über Sozialberatung anschauen wollen: Dieser findet statt beim Gesund-Führen-Kongress im November 2021. Die Details dazu finden Sie auf www.do-care.de. Ich werde auch dabei sein mit meinem Workshop "Wie können wir Führungskräfte gewinnen für BGM und Arbeitssicherheit?" Also gerne anmelden: www.do-care.de.

Aber zurück zum heutigen Thema:
Psychische Belastungen reduzieren mit dem STOP-Prinzip

Alle PräventionsexpertInnen im deutschsprachigen Raum kennen die Bedeutung von Psyche für die Gesundheit und Arbeitssicherheit. Aber die wenigsten wissen genau, wie man damit umgehen kann. Häufig sind da Vorurteile wie "Ich bin ja nicht zuständig für den privaten Stress der Leute." Oder: "Da kann man doch eh nichts machen."

Deshalb ist mir wichtig: Wie kann man das Thema angreifen? Wie kann man gute Maßnahmen finden?

Ich habe schon hunderte PräventionsexpertInnen in den letzten 7 bis 8 Jahren geschult zum Thema Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Und das waren v.a. Nicht-PsychologInnen.
Eine Fachkraft für Arbeitssicherheit (Brandschutzmanager, der CE Kennzeichnung macht) hat mir ein paar Monate nach einem Seminar ein sehr nettes Feedback geschrieben: "Durch Sie bin ich erst in dieses Thema der psychischen Evaluierung gekommen. Habe heuer bereits zahlreiche Organisationen positiv abgehandelt und wurde auch von den Kunden sehr positiv beurteilt. Danke für Ihr mörder Engagement! Sie machen das echt hervorragend und mit Begeisterung. Top, danke!"

Daran sieht man: Selbst eine waschechte Fachkraft für Arbeitssicherheit kann das Thema erfolgreich bearbeiten! Man kann sich auch hier um psychische Belastungen kümmern. Man muss nur wissen wie.

Worum geht es bei psychischen Belastungen und worum geht es nicht?

Beispiel: "Was kann man schon machen, wenn z.B. ein Mitarbeiter Angst hat vor Spinnen, aber oft ins Lager im Keller gehen muss?"

An diesem Beispiel kann man sich den Unterschied zwischen Belastungen und Beanspruchungen gut klar machen:

  • Psychische Belastungen = Psychische Arbeitsbedingungen = ins Lager in den Keller gehen und ev. vorhandene Spinnen
  • Psychische Beanspruchung = Folge davon für die Person = Angst vor Spinnen
Worum kümmern wir uns im Arbeits- und Gesundheitsschutz? Wir gestalten Arbeitsbedingungen! Wir bieten keine Therapie gegen Angst vor Spinnen an. Aber wir können uns anschauen: Wie viel Beleuchtung ist in dem Keller? Geht es um harmlose Weberknechte oder gab es in dem Keller tatsächlich mal einen Vorfall mit einer giftigen Spinne? Ist der Keller halbwegs gereinigt oder muss man sich durch Spinnennetze kämpfen?
Das sind die Arbeitsbedingungen: Beleuchtung, Reinigung, … Wir schauen uns aber nicht an, wie viel Angst dieser Mensch vor Spinnen hat. 

Wie kann uns das STOP-Prinzip dabei helfen, hilfreiche Maßnahmen zu setzen?

STOP kommt aus dem technischen bzw. medizinischen Arbeitsschutz: Dieses Akronym hilft, Veränderungen in der richtigen Reihenfolge anzugehen.

  • Substitution
  • Technische Maßnahmen
  • Organisatorische Maßnahmen
  • Personenbezogene Maßnahmen

 Ein Beispiel anhand eines krebserregenden Arbeitsstoffes:

  • Substitution / Ersetzen der Ursache → Anderer Arbeitsstoff
  • Technische Maßnahmen → Räumliche Abtrennung, Absaugung, …
  • Organisatorische Maßnahmen → Nur bestimmte Personen dürfen mit dem Stoff arbeiten nach einer Unterweisung, andere bekommen gar keinen Zugang, Arbeit mit dem Stoff nur für kurze Zeit, ...
  • Personenbezogene Maßnahmen → Persönliche Schutzausrüstung wie Handschuhe oder Atemschutz

Wir wissen aus Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, dass wir das immer von oben nach unten durchgehen. Da gibt es also eine richtige Reihenfolge, die uns durch das Stop-Prinzip vorgegeben wird.

Legen wir das nun um auf psychische Belastungen, demonstrieren wir dieses Prinzip anhand eines konkreten Beispiels:

In der öffentlichen Verwaltung gibt es mehrere Kundencenter mit Schalter-Arbeitsplätzen. Hier können Formulare abgegeben, Fragen geklärt und Beschwerden gegen Bescheide vorgebracht werden. Die BürgerInnen sind hier oft nicht gut gelaunt und manchmal sogar aggressiv gegenüber den Beschäftigten. Die MitarbeiterInnen werden als der "personifizierte Staat" wahrgenommen und müssen sich oft Beschimpfungen für Entscheidungen anhören, die sie nicht selbst getroffen haben.
Das ist also unsere Arbeitsbedingung für die Beschäftigten in diesem Amt. Was kann man jetzt verändern? Wie kann man das Stop-Prinzip hier anwenden?

S (Substitution): Die BürgerInnen selbst als VerursacherInnen des aggressiven Verhaltens sind schwer zu verändern. Aber es kann überprüft werden, welche Situationen oder Entscheidungen besonders häufig zu diesen Reaktionen führen. Sind es sachliche Einwände gegen Vorschriften oder häufige Missverständnisse aufgrund unklarer Formulierungen? Dann könnten Vorschriften oder Formulierungen verändert werden, um solche Reaktionen zu vermeiden. Das wäre die optimale Lösung. Das wäre die Substitution vom Kernproblem. 

T (Technische Maßnahmen): Wenn "S" nur eingeschränkt möglich ist, können im nächsten Schritt technische Maßnahmen angedacht werden, um die Beschäftigten an ihren Schalterarbeitsplätzen zu schützen. In der Regel stellt eine gewisse Distanz, zum Beispiel durch einen Schreibtisch oder eine andere physische Barriere, einen gewissen Schutz dar. Auch den Beschäftigten fällt es leichter, höflich zu reagieren, wenn die aggressiven Personen nicht in ihre persönliche Distanzzone (circa 50 Zentimeter Abstand) eindringen und ein Abstand automatisch gewahrt bleibt. Wenn körperliche Attacken drohen oder sogar bereits erfolgt sind, dann können technische Maßnahmen außerdem eine Glasscheibe oder einen Notfallknopf unter dem Schreibtisch umfassen. Auch freie Fluchtwege (wegen eventueller Übergriffe) sollten gewährleistet sein. Diese Maßnahmen sind in der Regel mit einem Kostenaufwand verbunden. Hier gibt es mehrere Aspekte (z.B. psychologische Auswirkungen), die zu berücksichtigen sind. Wenn technisch alles gemacht wurde, was man tun kann, das aber noch nicht reicht, dann kümmert man sich um die organisatorischen Maßnahmen.

O (Organisatorische Maßnahmen): Diese sind in vielen Fällen kostenneutral und durch die direkte Führungskraft umsetzbar. Damit sind sie für uns besonders interessant. Auch in dem beschriebenen Fall können die Beschäftigten von dieser Maßnahmenkategorie profitieren: Alleinarbeit sollte bei potenziell aggressiven GesprächspartnerInnen vermieden werden. MitarbeiterInnen sollten Unterstützung in Sicht- oder Rufweite haben. Eine klar definierte Vorgehensweise und ein verbindlicher Ablauf wirken hier beruhigend auf die Beschäftigten. Es sollte keinen Zweifel geben, was bei Beschimpfungen oder körperlichen Attacken zu tun ist. Beispielsweise darf es nicht ausschließlich in der Entscheidung der MitarbeiterInnen liegen, wann sie die Vorgesetzten oder die Polizei hinzuziehen. Denn sonst wäre der Ablauf wieder von der Persönlichkeit, also der Durchsetzungsfähigkeit und dem Selbstbewusstsein einzelner Personen, abhängig. Dies ist eine der wenigen Ausnahmen, wo ein geringer Handlungsspielraum positiv ist. Auch den BürgerInnen muss klar sein, welche Konsequenzen ihr aggressives Verhalten haben wird – etwa durch eine Informationskampagne.

P (Personenbezogene Maßnahmen): Diese Maßnahmen ergreife ich erst, wenn alle anderen (S, T, O) schon gemacht wurden. Personenbezogene Maßnahmen wären hier ein Kommunikations- oder Selbstverteidigungstraining. Dies kann natürlich ergänzend angeboten werden, darf aber auf keinen Fall die vorhergehenden Maßnahmen ersetzen!

Hören Sie sich gerne den Podcast an, in dem es weitere Ausführungen und Beispiele gibt!

 

Hilft Ihnen das weiter? Wollen Sie konkrete Tipps, welche Maßnahmen bei einer psychischen Belastung hilfreich wären? Schreiben Sie mir gerne auf LinkedIn oder Twitter: #pionierederpraevention. Oder wenn Sie schüchtern sind, geht auch eine Direktnachricht ;-)

 

Hier noch 2 Empfehlungen zum Schluss:

Feedback und Fragen an Veronika Jakl:
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Veronika Jakl auf LinkedIn:
Hier geht es zur Online-Akademie "Pioniere der Prävention":
Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

back to top