karriere.at: Bossing: Hilfe, mein Chef mobbt mich!
“Unfassbar. Sie haben die Präsentation schon wieder in den Sand gesetzt!” Keine sehr professionelle Aussage vom Chef und alles andere als nett. Besonders nicht, wenn der Sager vor versammelter Kollegenschaft kommt. Aber handelt es sich dabei schon um systematisches Mobbing durch die Führungskraft? Und wie können Betroffene unterstützt werden? Arbeitspsychologin Veronika Jakl beantwortet fünf Fragen rund um das unangenehme Phänomen Bossing.
Einzelne Aktionen sind unangenehm, aber noch kein Bossing
Was ist typisch für Bossing? Ab wann kann man von Mobbing durch den Chef sprechen?
Veronika Jakl: Unter Bossing wird das Mobbing durch eine höhere Hierarchieebene verstanden. Wichtig für die Definition ist, wie auch bei Mobbing: Regelmäßige, zielgerichtete Aktionen über eine längere Zeitspanne hinweg (mindestens 6 Monate). Das Machtgefälle ist beim Bossing schon durch die unterschiedliche Stellung in der Firma gegeben und wird nur noch verstärkt. Die Aktionen an sich können in jedem Bossing-Fall anders sein: Interessante Aufgaben/Projekte werden weggenommen oder der Chef “müllt” einen mit zusätzlichen Aufgaben zu, Informationen kommen nicht mehr bis zum Mitarbeiter, hämische Kommentare zur Leistung, etc. Wichtig ist, dass eine einzelne Aktion zwar auch extrem unangenehm sein kann, aber noch kein Bossing darstellt.
Welche Folgen kann Bossing für den Betroffenen haben?
Veronika Jakl: Wie andere Stressfaktoren auch, kann sich Bossing auf unterschiedliche Weise kurz- und langfristig auswirken: Angststörungen, Schlafstörungen, usw. bis hin zu Selbstmordgedanken. Auch auf Ebene der Organisation hat das natürlich letztlich Folgen hinsichtlich Produktivität, mehr Fehlzeiten, erhöhte Fluktuation und mehr.
Welche Gründe stecken hinter dem Mobben von Mitarbeitern?
Veronika Jakl: Bossing kommt vor allem dann zustande, wenn mehrere Faktoren zusammenkommen: Eine mobbende Führungskraft, ein Mitarbeiter als (gemachtes) Opfer und eine Abteilung/Organisation, die Bossing zumindest nicht aktiv präventiv verhindert hat. Ein einfacher Ursache-Wirkungs-Zusammenhang ist da aber nicht gegeben. Nicht jede Führungskraft, die einen Mitarbeiter nicht besonders mag, mobbt und auch nicht jeder Chef mit wenig Führungserfahrung.
Was kann die Personalabteilung tun, um Bossing zu verhindern?
Veronika Jakl: Vorab: klare Rollen und Zuständigkeiten schaffen, eine Konflikt- und Feedbackkultur aufbauen – konstruktive Kritik sollte in alle Richtungen möglich und üblich sein. Vertrauliche Anlaufstellen im Unternehmen schaffen für Mitarbeiter und vor allem neue Führungskräfte. Das können Vertrauenspersonen, Personalvertretungen, Gesundheitsbeauftragte, o.ä. sein. Im Anlassfall: Ansprechpartner für Betroffene sein, Gespräche veranlassen, klare Verhaltensregeln aufstellen, rechtliche Rahmenbedingungen klarstellen, eventuell externe Hilfe anbieten bzw. in die Wege leiten. Angebote wie Mediation und Coching gibt es bei Beratungseinrichtungen wie der Arbeiterkammer oder bei freien Anbietern.
Thema Mobbing nicht totschweigen
Wichtig ist letztendlich, Konsequenzen aufzeigen bzw. auch ziehen, z.B. durch organisatorische Änderungen oder Personalveränderungen. Das hilft nicht nur dem Opfer akut, sondern zeigt auch den anderen Mitarbeitern & Führungskräften, dass das Thema nicht totgeschwiegen, sondern aktiv angegangen wird (Stichwort: Fürsorgepflicht!). Was nicht zielführend sein kann, sind flächendeckende Konfliktschulungen ohne weitere Implementierung in die Organisation.
Wie verhält man sich als Betroffener – oder auch als Kollege, wenn man von Bossing erfährt?
Veronika Jakl: Betroffene sollten ein Mobbing-Tagebuch führen um Handlungen bewusst zu reflektieren und Nachweis zu schaffen. Für die weitere Planung von Schritten kann man sich jemandem anvertrauen, entweder intern oder extern. Für Kollegen ist es immer auch schwierig: Einerseits die moralische Verantwortung, den Betroffenen nicht im Stich zu lassen – andererseits die Angst, selbst Opfer zu werden oder sich “in etwas reinziehen zu lassen”. Mein Rat: Geben Sie dem Betroffenen das Gefühl, nicht allein zu sein und machen Sie deutlich, dass Sie die Bossing-Aktionen auch wahrnehmen. Langfristig können Sie nur helfen, wenn Sie das Thema entweder selbst aktiv ansprechen oder bei einer Vertrauensperson im Unternehmen platzieren. Vergessen Sie nicht: Bei Mobbing-/Bossing-Fällen ist das Unternehmen rechtlich verpflichtet einzuschreiten!
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
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