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„Das gehört dazu“ - Vorurteile im Arbeitsschutz aufbrechen & FK zum Handeln bewegen

Wenn der Arbeitgeber dennoch nicht handelt, sollte man als Mitarbeiter:in irgendwann darüber nachdenken: "Love it, leave it, or change it".

In der Podcast-Episode 207 sprechen wir darüber, wie man mit riskanten Arbeitsbedingungen umgeht, wenn der Arbeitgeber keine Maßnahmen ergreift. Wir schauen uns 7 Wege an, wie Sie - auch als "normale:r" Mitarbeiter:in - das Thema am besten ansprechen können, um konkrete Lösungsansätze voranzutreiben. Es geht darum, wie man z.B. reagieren kann, wenn Gewalt am Arbeitsplatz ignoriert wird.

Ich zeige Ihnen heute also, wie man in einem Umfeld agieren kann, in dem Arbeitgeber auf gefährliche Arbeitsbedingungen nicht angemessen reagieren. Damit Sie wissen, wie Sie klare Vorschläge machen und den Ernst der Lage verständlich machen können. Und damit auch Sie in schwierigen Situationen handlungsfähig bleiben.

Ganz ehrlich, ich kenne das:
Man ärgert sich extrem, wenn Führungskräfte oder Geschäftsführungen Risiken, die man aufzeigt, nicht ernst (genug) nehmen.

Und es gibt ja das berühmte Zitat von Paul Watzlawick: "Man kann nicht nicht kommunizieren." Wenn der Arbeitgeber schweigt, wenn man ihm sagt, was gerade alles schief läuft, dann ist das auch eine klare Botschaft. Diese Botschaft lautet oft: "Das ist mir nicht wichtig." Es zeigt auch die Prioritäten, die ein Arbeitgeber oder eine Führungskraft setzt. Es zeigt, was für diese gerade wirklich zählt.

Vielleicht kennen Sie solche Situationen aus Ihrer Praxis:
Mitarbeitende melden Probleme – z.B. defekte Maschinen, hohe psychische Belastungen oder mangelhafte Sicherheitsmaßnahmen – und die Führungskräfte winken einfach nur ab. Dies führt zu Frustration bei den betroffenen Beschäftigten, die dies aufgezeigt haben. Und irgendwann wird es eskalieren.

Oftmals erleben wir, dass sich niemand für Probleme, wie beispielsweise Gewalt am Arbeitsplatz, zuständig fühlt – vor allem in großen Organisationen.
Umgekehrt: Wenn Sie es schaffen, riskante Arbeitsbedingungen effektiv anzusprechen, gewinnen Sie das Vertrauen der Mitarbeitenden und steigern die Glaubwürdigkeit des Arbeitsschutzes. Sie können als Vermittler:in und Impulsgeber:in eine Veränderungskultur etablieren, die alle Beteiligten langfristig stärkt.

Ein konkretes Beispiel:
Ich wurde angesprochen von einer Arbeitsmedizinerin in einer Ausbildung, die ich gehalten habe zum Thema "Psychische Belastungen". Sie erzählte mir in einer Pause: "Bei uns im Krankenhaus wird das Thema "Gewalt" nicht ernst genommen. Es gibt zwar Deeskalationstrainings und Notfallknöpfe, aber alle KollegInnen werden regelmäßig Opfer auch von physischer Gewalt." Sie erzählt, dass das Anschreien da sowieso normal sei, nicht nur auf der Psychiatrie-Station sondern auf allen Stationen und dass man von ganzheitlichen STOP-Maßnahmen weit entfernt sei.

Und das ist total schade! Wenn da der Arbeitgeber nicht handelt, entsteht Frustration, Angst und das Gefühl der Hilflosigkeit. Und das macht es für die Betroffenen besonders schwierig, weiter motiviert zu bleiben und ihre Arbeit zu tun, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Gesundheit, ihre Sicherheit nicht prioritär ist für den Arbeitgeber.

Und jetzt ist die Frage:
Was kann diese Medizinerin tun, um ihre Führungskräfte davon zu überzeugen, dass man mehr machen muss. Und dass man die Gefahren nicht einfach akzeptieren kann?

Vorurteile oder falsche Einstellungen und mögliche Lösungen - 7 verschiedene Wege

1. Führungskräfte sagen: "Das Problem betrifft nur ein paar wenige Mitarbeitende – kein Grund zur Sorge."

  • Lösung:
    Verweisen Sie auf konkrete Zahlen und Beispiele. Daten über Unfälle, Krankenstände oder Beinahe-Unfälle sind starke Argumente.

  • Eine klare Empfehlung, wie z. B. einen Workshop zu organisieren, bei dem man aufzeigt, welche Maßnahmen gegen Gewalt ergriffen werden können, hilft den Verantwortlichen, eine Struktur zu erkennen.


2. Es wird gesagt "Wir haben keine Ressourcen für zusätzliche Maßnahmen."

  • Lösung:
    Zeigen Sie auf, dass Prävention langfristig kostengünstiger ist als das Reagieren auf Unfälle oder Gesundheitsprobleme. Zitate aus Studien wie "Jeder Euro, der in Prävention investiert wird, spart mindestens das Doppelte an Folgekosten" können hier überzeugen. Was kosten die Probleme durch Ausfalltage, Unfälle, Demotivation, Fluktuation, ...?


3. Ein häufiges Vorurteil in solchen Fällen lautet: "Gewalt am Arbeitsplatz gehört eben dazu, da kann man nichts machen."

  • Doch das stimmt nicht. Oft fehlt es einfach an Ideen oder konkreten Lösungsansätzen. Es gibt zahlreiche Maßnahmen, die in anderen Kliniken bereits erfolgreich umgesetzt wurden, nicht nur Deeskalationsmanagement, auch bauliche Veränderungen, Veränderungen im Arbeitsablauf. Solche Beispiele können als Argumente dienen, dass Veränderung möglich ist und wirkt. Man kann sich Vorbilder suchen!


4. Verbündete suchen in der Organisation:

  • Wer ist für das Thema noch zuständig? Wer will etwas verändern? Findet man ev. eine Stationsleitung, die ein Pilotprojekt machen will? Vielleicht von unten herauf zeigen, was man tun kann, und dann möglicherweise kopieren für andere Abteilungen. Man hat dann einen "Proof-of-concept".

  • Eventuell auch Betriebsrat oder Personalvertretung einbinden.


5. Dokumentieren, was man genau gesehen hat, welche Gespräche man dazu geführt hat, falls es später dazu Auseinandersetzungen gibt. Da geht es nicht nur darum, dass man vor Gericht aussagen muss.

6. Ich kenne auch Firmen, wo es zur Eskalation kam: Wenn alle internen Bemühungen scheitern, kann die Fachkraft für Arbeitssicherheit, die zuständige Aufsichtsbehörde (z.B. Gewerbeaufsicht) informieren. Diese kann das Unternehmen überprüfen und gegebenenfalls Anordnungen zur Verbesserung der Arbeitssicherheit erlassen.

7. Wenn der Arbeitgeber dennoch nicht handelt, sollte man als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter irgendwann darüber nachdenken: "Love it, leave it, or change it" – entweder man akzeptiert die Situation, man verlässt das Unternehmen oder man setzt sich weiterhin aktiv für Veränderung ein.

Zusammenfassend lässt sich sagen:
Es ist wichtig, das Problem mit Fakten anzusprechen, klare Handlungsvorschläge zu machen und mögliche Lösungen aufzuzeigen. Sollten all diese Schritte jedoch nicht fruchten, muss man für sich überlegen, ob man in einem Unternehmen arbeiten möchte, das solche Risiken nicht ernst nimmt.

Aufgabe der Woche:
Überlegen Sie sich, welche Risiken an Ihrem Arbeitsplatz vielleicht auch ignoriert werden und wie Sie diese konkret ansprechen könnten. Machen Sie sich eine Liste mit Argumenten und möglichen Lösungsvorschlägen.

Wie ist das bei Ihnen? Schreiben Sie mir gerne ein E-Mail oder eine Direktnachricht auf LinkedIn.

Feedback und Fragen an Veronika Jakl:
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Hier geht es zur Online-Akademie "Pioniere der Prävention":
Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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