Menu

Vision Zero - Motivierend oder kontraproduktiv? Weltweite Beispiele & psychologische Hintergründe

Welche Bedeutung hat die Vision Zero für eine sichere Arbeitswelt? Ist sie ein realistisches Ziel oder lediglich ein utopischer Traum? Hören Sie Erfahrungsberichte aus verschiedenen Ländern, die die Vision Zero auf unterschiedliche Weise umsetzen.
Gemeinsam erkunden wir, wie wir dieses Ziel erreichen können, ohne dabei die Mitarbeiter:innen zu überfordern.

Herzlich willkommen bei einer neuen Podcast Episode von Pioniere der Prävention. In dieser Episode sprechen wir über ein kontroverses Thema unserer Branche: die Vision Zero. Ist sie ein motivierendes Ziel für alle oder kontraproduktiver Druck für die Beschäftigten, der sie dazu bringt, Unfälle zu vertuschen? Begleiten Sie uns auf einer Reise durch verschiedene Länder und hören Sie Erfahrungsberichte von Vortragenden, die die Vision Zero weltweit in unterschiedlichsten Varianten umsetzen. Lassen Sie uns gemeinsam betrachten, wie wir die schöne Vision Zero nicht in einen Alptraum für die Beschäftigten verwandeln können.

Vision Zero 

Die Vision Zero steht für das Ziel einer Arbeitswelt ohne Unfälle und Berufskrankheiten. Auf den ersten Blick klingt es wie ein super Ziel, aber bei genauerer Betrachtung mag es auch unrealistisch erscheinen. Bei einer Umfrage unter Präventionsexpert:innen zeigte sich, dass viele die Vision Zero als "nicht möglich" oder "Utopie" empfinden. Doch Sylwia Birska vom Podcast „ASA-Sitzung“ beschreibt Vision Zero auch als einen Polarstern, als übergeordnetes Ziel. Und dazu gibt es verschiedene Wege, dieses Ziel zu erreichen, und die Entscheidung, welchen Weg man geht, trifft man mit der entsprechenden Strategie.

Das Buch von Carsten Busch mit dem Titel "The first Rule of Safety Culture" weist darauf hin, dass "Null Unfälle" als Ziel nicht realistisch, frustrierend und nicht praktikabel sein kann. Ein solches Ziel kann zu Frustration führen, wenn ein Unfall passiert und das Ziel nicht erreicht wird. Zudem passieren Unfälle so selten, dass sie nicht als effektive Steuerungsindikatoren verwendet werden können. Daher müssen wir alternative Ansätze in Betracht ziehen, um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu verbessern.

Hierzu ein kleines Zitat 

Svenja Dammasch, Fachkraft für Arbeitssicherheit:

"Welche andere Vision kann man als Mensch haben, als die Vision Zero? Wenn wir beginnen, hiervon abzurücken, beginnt die Diskussion: Wie viel Verletzung ist noch in Ordnung? Schnitt in den Finger, Finger ab oder Arm ab?"

Schweiz 

Ein interessanter Ansatz stammt aus der Schweiz, genauer gesagt von der suva, der Schweizer Unfallversicherung. Statt der Vision Zero haben sie die "Vision 250 Leben retten" formuliert. Ihr Ziel ist es, die Anzahl der Arbeitsunfälle maßgeblich zu reduzieren und dabei 250 Menschenleben zu retten, und das innerhalb von 10 Jahren. Dieser pragmatische Ansatz wurde von vielen Teilnehmenden des Forums Prävention positiv aufgenommen. Sie empfanden die Vision "250 Leben retten" als lösungsorientierter und praktikabler als die Vision Zero, die ihnen zu unrealistisch und zu weit entfernt erschien.

Afrika

Ehi Iden von OSH-Africa, einer Vereinigung zur Stärkung der betrieblichen Prävention in Afrika, berichtet von seinen Bemühungen, die Vision Zero in den unterschiedlichsten afrikanischen Ländern einzuführen. Er betont, dass die Vision Zero ein Ziel ist, das in kleinen Schritten erreicht werden kann. Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess und die Schaffung einer Sicherheitskultur sind der Schlüssel, um die Vision Zero langfristig zu verwirklichen.

Pakistan

Ein weiterer Erfahrungsbericht kommt von Dr. Sven Timm von der DGUV. Er hat erzählt, wie er und Kollegen in Pakistan vorgegangen sind, um mit verschiedenen Sozialpartnern und Stakeholdern wie NGOs vor Ort die Vision Zero zum Leben zu erwecken. Bei einem der Präsenz-Workshop waren Vertreterinnen und Vertreter von unterschiedlichsten Organisationen anwesend. Aber er und seine Kollegen haben gesehen, dass alle nur auf ihren Tischen mit den engen Kolleg:innen reden. Es kam somit kein echter Austausch zustande.

Man war zwar im gleichen Raum, aber es gab keine wirkliche Verbindung zwischen den Leuten. Die Lösung für das Problem war, die Tische zusammenzuschieben, sodass alle Teilnehmer:innen eng beieinander saßen. Dieses simple Arrangement hatte eine bemerkenswerte Wirkung auf das Geschehen. Plötzlich waren alle förmlich dazu gezwungen, miteinander zu reden und sich auszutauschen.

Erinnert mich an das Buch von Edgar Schein „Humble Consulting“, denn er beschreibt darin, dass man für wirklich hilfreiche Beratung eine Beziehung der 2. Ebene benötigt.

Polen

Magdalena Wachnitzka-Witzke von der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung in Polen hat beim Forum Prävention aufgezeigt, dass herkömmliche Ansätze wie Leitfäden und Selbstverpflichtungen in einer Branche mit vielen Familienbetrieben und kleinen Bauernhöfen oft nicht ausreichen. Schließlich arbeiten die Menschen dort seit Jahrzehnten auf die gleiche Weise, ohne dass etwas passiert ist.

Doch wie gehen die Polen damit um?

Sie haben unter anderem einen generationsübergreifenden Ansatz entwickelt, der darauf abzielt, Kinder und Teenager als Botschafter für sicheres Arbeiten zu gewinnen. Durch Mal-Wettbewerbe für Kinder sollen diese zu Hause das Bewusstsein für Arbeitssicherheit schärfen und ihre Eltern und Familienangehörigen darauf aufmerksam machen.

Was können wir nun zusammenfassend sagen?

Die Vision Zero ist zweifellos ein ehrgeiziges Ziel, das nicht ohne Herausforderungen umgesetzt werden kann. Es erfordert eine Veränderung der Sicherheitskultur und eine kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Doch es ist wichtig, die Realisierbarkeit der Vision Zero nicht zu unterschätzen und alternative Ansätze wie die "Vision 250 Leben retten" in Betracht zu ziehen.

Die Umsetzung der Vision Zero erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise, bei der alle Ebenen eines Unternehmens involviert sind. Schulungen, Kommunikation, Anreizsysteme und die Einbindung der Beschäftigten sind entscheidend, um eine Sicherheitskultur zu schaffen, in der Prävention an erster Stelle steht.

Es ist wichtig, dass die Vision Zero nicht als Druckmittel verwendet wird, sondern als inspirierendes Ziel, das Unternehmen dazu ermutigt, die Sicherheit am Arbeitsplatz kontinuierlich zu verbessern. Jeder Unfall, der vermieden wird, zählt und bringt uns näher an die Vision Zero heran.

Lassen Sie uns weiterhin gemeinsam daran arbeiten, eine Arbeitswelt ohne Unfälle und Berufskrankheiten zu schaffen. Jeder einzelne Beitrag zählt und kann dazu beitragen, dass die Vision Zero zur Realität wird.

Und wenn Sie mehr zum Thema Vision Zero erfahren wollen, dann werden Sie JETZT Mitglied unter:

pionierederpraevention.com/akademie

Denn

Als Mitglied in der Online-Akademie für Pioniere der Prävention findest du im Forum dazu die aktuelle Diskussion und auch den Link zum Video, wo ich all die psychologischen Phänomene rund um die Vision Zero erkläre.
Und dort erkläre ich auch, wie man dort hin kommen kann und welchen Beitrag DU als Präventionsexpertin oder experte dazu leisten kannst.

Feedback und Fragen an Veronika Jakl:
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Veronika Jakl auf LinkedIn:
Hier geht es zur Online-Akademie "Pioniere der Prävention":
Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

back to top