HRweb.at: Woran Sie gute Persönlichkeitstests erkennen
Sind Sie eine Rebellin? Führen Sie mit feuerroter Farb-Energie? Haben Sie eine ESFJ-Persönlichkeit? Oder sind Sie eher ein Bewahrer? Hier lesen Sie über die spannende Welt der Persönlichkeitstests.
Ein Artikel in "HRweb.at" von Veronika Jakl, erschienen am 27.05.2021
Ich habe Psychologie studiert, über 6 Jahre hinweg. Es gab viele wissenschaftliche Disziplinen, die wir gelernt haben. Und deshalb kann ich jetzt auch Gedanken lesen!
Wir machen dazu ein Experiment, weil ich Ihnen das beweisen will.
Ihre Persönlichkeit - ein Experiment
Denken Sie mal ganz fest an sich selbst: Wie ist Ihre Persönlichkeit? Wie würden Sie sich beschreiben? Was ist Ihnen wichtig? Was unterscheidet Sie von anderen?
Und ich werde jetzt versuchen, Ihre Gedanken zu lesen! Fokussieren Sie sich jetzt einmal ganz auf sich selbst. Und ich werde das auch tun: Ich fokussiere mich ganz auf Sie! Egal, wann Sie das hier lesen. Es wird funktionieren!
Genau so sind Sie
Und jetzt werde ich mal versuchen in Worte zu fassen, wie Ihre Persönlichkeit ist:
Tief in Ihrem Inneren, brauchen Sie schon die Zuneigung und Bewunderung von anderen. Sie neigen aber trotzdem zu Selbstkritik. Sie haben großartige Fähigkeiten, die Sie aber nicht optimal nutzen. Nach außen wirken Sie diszipliniert und selbstbeherrscht, aber Sie neigen dazu, sich tief in sich ängstlich und unsicher zu fühlen. Manchmal zweifeln Sie sogar stark an der Richtigkeit von dem, was Sie tun und Ihren Entscheidungen. Sie mögen eine gewisse Abwechslung und Veränderung und Sie sind unzufrieden, wenn Sie eingeengt werden durch Verbote und Beschränkungen. Sie sind stolz auf Ihr unabhängiges Denken und sind kritisch gegenüber den Aussagen von anderen Leuten. Sie finden es aber auch unklug, sich anderen allzu bereitwillig zu öffnen. Manchmal verhalten Sie sich extrovertiert, leutselig und aufgeschlossen, dann aber auch wieder introvertiert, skeptisch und zurückhaltend. Und ganz ehrlich: Manche von Ihren Hoffnungen und Wünschen sind ziemlich unrealistisch.
Wie klingt das für Sie? Habe ich da einiges gut erraten, auf einer Skala von 0 bis 5 (0 = sehr schlecht und 5 = perfekte Beschreibung)? Wie gut habe ich Sie getroffen?
Jetzt fragen Sie sich sicher, woher ich so viel über Sie weiß? Das verrate ich nachher!
In der Psychologie ist essentiell: Wissenschaftliche Erforschung von Erleben und Verhalten.
Menschen und ihre Persönlichkeit zu beschreiben und einzuordnen, ist nicht einfach. Es ist sogar echt schwierig. Ich habe mich jahrelang damit beschäftigt und viel darüber gelernt. Deshalb "geht mir das Geimpfte auf", wenn ich unwissenschaftliche, schwachsinnige Persönlichkeitstest online sehe.
Warum ist es wichtig gute Persönlichkeitstests einzusetzen?
Es geht um das Messbarmachen von Unterschieden zwischen Personen. Und das wird ganz unterschiedlich eingesetzt. Beispielsweise ist es oft verbunden mit Entscheidungen wie Personalentscheidungen, Berufswahl, Waffentauglichkeit, Partnervorschläge auf Online-Plattformen, ...
All das ist sehr wichtig! Und deswegen ist es wichtig, dass die Messung stimmt. Weil ja sonst die Empfehlung gar nicht stimmen kann. Leider gibt es am Markt so viele unwissenschaftliche, irgendwie ausgedachte Tests. Tests, mit denen Menschen nur Geld machen wollen. Von außen betrachtet, ist das schwierig auseinander zu halten. Denn sehr häufig haben diese schwachsinnigen Tests ein sehr gutes Marketing und schöne Websites. Da kann man schon leicht darauf reinfallen!
Deswegen geht es in dieser Episode auch darüber, wie man Wissenschaft von Schwachsinn unterscheiden kann! Es ist ein bisschen wie der Unterschied: Sich selbst die Hand auf die Stirn halten vs. Fieberthermometer mit zwei Nachkommastellen benutzen.
Was sind Persönlichkeitstypen?
Bei den allermeisten unwissenschaftlichen Persönlichkeitstests kommt am Ende ein Persönlichkeitstyp raus, dieser ist man angeblich. Das ist meistens eine sehr grobe Einteilung.
Beispiele:
Teamrollen nach Belbin (4 große Kategorien von Teammitgliedern):
- Vermittler (Wegbereiter und Teamarbeiter)
- Arbeiter (Umsetzer und Perfektionist)
- Intellektueller (Beobachter und Erfinder)
- Teamleiter (Vorsitzender und Macher)
Manchmal gibt es auch seltsame Buchstabenkombinationen, z.B. wie beim Myer-Briggs-Test. Hier kommen 16 Buchstabenkombinationen heraus, die als "Temperamentstypen" benannt werden. So ist man z.B. ein "ESFJ" (Kategorie "Wächter" soll hilfsbereit, fürsorglich, beliebt sein).
Das ist eine viel zu grobe Einteilung!
Wieso glauben Menschen das?
Da gibt es einen Effekt, den auch die Astrologie nützt! Das ist der sogenannte "Barnum-Effekt". Das ist die Neigung von Menschen, vage und allgemeingültige Aussagen über die eigene Person so zu interpretieren, dass sie als zutreffende Beschreibung empfunden werden.
Es wird eine Beschreibung geliefert, die für "jeden Geschmack" etwas bieten sollte.
Der US-amerikanische Psychologe Bertram R. Forer beschreibt ein 1948 durchgeführtes Experiment, in dem er seine Studenten einen Persönlichkeitstest absolvieren ließ. Anschließend händigte er jedem als Testergebnis eine persönliche Charakterbeschreibung aus und forderte sie dazu auf, den Wahrheitsgehalt dieser Auswertung auf einer Skala von 0 ("mangelhaft") bis 5 ("perfekt") zu bewerten. Der Durchschnitt lag bei 4,26 Punkten, die Auswertung wurde also mehrheitlich als sehr gut zutreffend gewertet.
Tatsächlich aber hatte Forer den Test überhaupt nicht ausgewertet, sondern sämtlichen TeilnehmerInnen dieselbe Charakterisierung als angebliches Ergebnis ausgehändigt, die er angelehnt an eine frühere Studie so konstruiert hatte, dass sie möglichst universell zutreffend sein sollte.
Und es war genau diese Beschreibung (hier gekürzt), die ich Ihnen am Anfang gegeben habe (als ich Ihre Gedanken "gelesen" habe)
Und wie kann man als Laie unwissenschaftliche Tests erkennen?
Es gibt ein paar Dinge, auf die man achten kann:
- Multi-Dimensional:
Ein wissenschaftlicher Test ist multi-dimensional. Wir messen in der Psychologie Persönlichkeit auf mehreren Dimensionen gleichzeitig.
Beim Klassiker (sehr gut überprüft) gibt es 5 große Persönlichkeitsdimensionen, in denen sich Menschen unterscheiden und die getrennt voneinander existieren und die man getrennt voneinander messen muss:
- Offenheit
- Gewissenhaftigkeit
- Extraversion
- Verträglichkeit
- Neurotizismus (bzw. Stabilität)
- Skala
Bei wissenschaftlichen Persönlichkeitstests wird mit Skalen gearbeitet. Unwissenschaftliche Einteilungen arbeiten mit Kategorien wie Farben (und nicht auf einer Skala).
Und auf jeder Dimension gibt es in der Regel ein Kontinuum. Das heißt, es gibt eine sehr feine, normierte Auswertung:
Beispiel: t-Werte. Die Skala geht von 0 bis 100, wobei 50 der Durchschnittswert ist. Die meisten Menschen haben einen Wert zwischen 35 bis 65. Nur 7 % aller Personen haben einen Wert, der darüber oder darunter liegt.
Ein guter wissenschaftlicher Test kann tatsächlich sehr, sehr fein messen. Zum Beispiel: Auf der Skala "Gewissenhaftigkeit" kann man unterscheiden, welche Menschen einen Wert von 55 und welche Menschen einen Wert von 56 haben. Auch dieser feine Unterschied macht schon etwas aus.
Denken Sie z.B. auch an IQ-Tests, wo es die IQ-Werte gibt. Da ist die Skala theoretisch nach unten und oben offen. 100 ist der Mittelwert. Aber in der Psychologie wissen wir: Ein IQ von 85 bis 115 ist "normal". Aber es gibt nicht nur "schlau" und "dumm" sondern sehr feine Messungen dazwischen. Und es gibt mehrere Dimensionen von Intelligenz (siehe Punkt 1 „multi-dimensional“).
- Lange Dauer
Wissenschaftliche Tests sind in der Regel recht lange. Um beispielsweise die Big 5 zu messen, kann man den NEO-PI-R heranziehen, der 240 Items hat und hier braucht man durchschnittlich 35 min. Oder der BIP: 15 A4-Seiten mit Fragen.
Ja, es gibt auch Kurzversionen, aber diese messen dann nicht so genau. Wenn Sie einen Persönlichkeitstest ausfüllen und nach 5 Minuten fertig sind, weil es sich z.B. nur um eine Seite mit 20 Fragen handelt, dann können Sie davon ausgehen, dass das nicht wissenschaftlich ist.
Schlussworte
Wenn Sie jemanden kennen, der gerne seltsame Persönlichkeitstests macht oder einsetzt, dann leiten Sie diesen Artikel gerne weiter!
Welche Erfahrungen haben Sie mit gute Persönlichkeitstests gemacht? Schreiben Sie gern einen Kommentar!
Artikel von Veronika Jakl, erschienen in "HRweb.at" am 27.05.2021
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
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