Woran Sie gute Persönlichkeitstests erkennen
Sind Sie ein/eine RebellIn? Führen Sie mit feuerroter Farb-Energie? Haben Sie eine ESFJ-Persönlichkeit? Oder sind Sie eher ein/eine BewahrerIn?
Ich zeige Ihnen heute die spannende Welt der Persönlichkeits-Tests und ich beweise Ihnen, dass ich Gedanken lesen kann! Damit Sie nicht auf Schwachsinn reinfallen! Und Sie lernen auch das fundierteste Konzept der psychologischen Diagnostik kennen.
Vorab: Die Pioniere der Prävention sind nicht nur eine großartige Online-Community, sondern es gibt auch jedes Jahr einen Online-Kongress unter diesem Titel. Und auch 2021 wieder, vom 23. bis 27.08.2021! Der Kongress findet online statt, d.h. Sie können zuschauen, von wo aus Sie wollen.
Auch heuer sind wieder ganz viele tolle ReferentInnen dabei. Vorletzte Woche habe ich schon Thomas Mangold, den Experten für Selbstmanagement, vorgestellt.
Heute ist Dr. Conrad Pramböck dran. Er ist Experte für Gehalts- und Budgetverhandlungen. Wir haben ja viel gelernt in unserer Ausbildung, aber i.d.R. haben wir nicht gelernt zu verhandeln. Wir verkaufen uns auch ganz oft unter Wert! Vorab habe ich Dr. Pramböck mal um ein Statement gebeten:
Bei Gehalts- und bei Honorarverhandlungen geht es um drei wichtige Punkte, nämlich:
- Vorbereitung: Perfekt darauf vorbereiten, was ein marktübliches Gehalt ist, was marktübliche Honorare sind und wie ich ganz konkret mit welchen Argumenten in die Verhandlung gehe.
- Kommunikation: Empfohlen werden besondere Formulierungen, wie etwa: "Unter welchen Umständen könnten wir uns auf diesen Betrag einigen?" Oder: "Wie könnte eine Vereinbarung aussehen, die uns beide zufrieden stellt?"
- BATNA - Best Alternative To a Negotiated Agreement: Hier geht es also um die Frage: "Wenn wir zwei uns nicht einigen, wer hat die besseren Karten?" (Habe ich als ArbeitnehmerIn noch ein anderes Angebot von einem anderen Unternehmen? Habe ich noch einen anderen, besser bezahlten Auftrag von einer anderen Firma? Was passiert, wenn wir zwei uns nicht einigen?)
Mit Klarheit über diese drei Punkte kann man gelassen in Gehalts- und Honorarverhandlungen gehen.
Es ist in einem Blogbeitrag schon einmal darum gegangen, wie man mehr Geld verdienen kann. Und ein Punkt war: Einen höheren Stundensatz verlangen. Das ist so wichtig für selbstständige ExpertInnen! Wer das nochmal nachlesen/-hören will: Fünf Wege, wie Sie mehr Geld verdienen können (Episode 13).
Aber zurück zum heutigen Thema: Die lustige Welt der Persönlichkeitstests.
Ich habe Psychologie studiert, über 6 Jahre hinweg. Es gab viele wissenschaftliche Disziplinen, die wir gelernt haben. Und deshalb kann ich jetzt auch Gedanken lesen!
Wir machen dazu ein Experiment, weil ich Ihnen das beweisen will. Und zwar:
Denken Sie mal ganz fest an sich selbst. Wie ist Ihre Persönlichkeit? Wie würden Sie sich beschreiben? Was ist Ihnen wichtig? Was unterscheidet Sie von anderen? Und ich werde jetzt versuchen, Ihre Gedanken zu lesen! Fokussieren Sie sich jetzt einmal ganz auf sich selbst. Und ich werde das auch tun: Ich fokussiere mich ganz auf Sie!
Und jetzt werde ich mal versuchen in Worte zu fassen, wie Ihre Persönlichkeit ist:
"Tief in Ihrem Inneren, brauchen Sie schon die Zuneigung und Bewunderung von anderen. Sie neigen aber trotzdem zu Selbstkritik. Sie haben großartige Fähigkeiten, die Sie aber nicht optimal nutzen. Nach außen wirken Sie diszipliniert und selbstbeherrscht, aber Sie neigen dazu, sich tief in sich ängstlich und unsicher zu fühlen. Manchmal zweifeln Sie sogar stark an der Richtigkeit von dem, was Sie tun und Ihren Entscheidungen. Sie mögen eine gewisse Abwechslung und Veränderung und Sie sind unzufrieden, wenn Sie eingeengt werden durch Verbote und Beschränkungen. Sie sind stolz auf Ihr unabhängiges Denken und sind kritisch gegenüber den Aussagen von anderen Leuten. Sie finden es aber auch unklug, sich anderen allzu bereitwillig zu öffnen. Manchmal verhalten Sie sich extrovertiert, leutselig und aufgeschlossen, dann aber auch wieder introvertiert, skeptisch und zurückhaltend. Und ganz ehrlich: Manche von Ihren Hoffnungen und Wünschen sind ziemlich unrealistisch."
Wie klingt das für Sie? Habe ich da einiges gut erraten, auf einer Skala von 0 bis 5 (0 = sehr schlecht und 5 = perfekte Beschreibung)? Wie gut habe ich Sie getroffen?
Jetzt fragen Sie sich sicher, woher ich so viel über Sie weiß? Das verrate ich nachher!
In der Psychologie ist essentiell: WISSENSCHAFTLICHE Erforschung von Erleben und Verhalten.
Menschen und ihre Persönlichkeit zu beschreiben und einzuordnen, ist nicht einfach. Es ist sogar echt schwierig. Ich habe mich jahrelang damit beschäftigt und viel darüber gelernt. Es "geht mir das Geimpfte auf", wenn ich unwissenschaftliche, schwachsinnige Persönlichkeitstest online sehe.
Aber warum ist das Thema wichtig? Warum ist es wichtig gute Persönlichkeitstests zu erwischen?
Es geht um das Messbar-machen von Unterschieden zwischen Personen. Und das wird ganz unterschiedlich eingesetzt. Beispielsweise ist es oft verbunden mit Entscheidungen wie Personalentscheidungen, Berufswahl, Waffentauglichkeit, Partnervorschläge auf Online-Plattformen, ...
All das ist sehr wichtig! Und deswegen ist es wichtig, dass die Messung stimmt! Weil ja sonst die Empfehlung gar nicht stimmen kann!
Leider gibt es am Markt so viele unwissenschaftliche, irgendwie ausgedachte Tests. Tests, mit denen Menschen nur Geld machen wollen.
Von außen betrachtet, ist das schwierig auseinander zu halten. Denn sehr häufig haben diese schwachsinnigen Tests ein sehr gutes Marketing und schöne Websites. Da kann man schon leicht darauf reinfallen!
Deswegen geht es in dieser Episode auch darüber, wie man Wissenschaft von Schwachsinn unterscheiden kann! Es ist ein bisschen so, wie dieser Unterschied: Sich selbst die Hand auf die Stirn halten <=> Fieberthermometer mit zwei Nachkommastellen.
Was sind Persönlichkeitstypen?
Bei den allermeisten unwissenschaftlichen Persönlichkeitstests kommt am Ende ein Persönlichkeitstyp raus, dieser ist man angeblich. Das ist meistens eine sehr grobe Einteilung.
- Vermittler (Wegbereiter und Teamarbeiter)
- Arbeiter (Umsetzer und Perfektionist)
- Intellektueller (Beobachter und Erfinder)
- Teamleiter (Vorsitzender und Macher)
Manchmal gibt es auch seltsame Buchstabenkombinationen, z.B. wie beim Myer-Briggs-Test. Hier kommen 16 Buchstabenkombis heraus, die als "Temperamentstypen" benannt werden. So ist man z.B. ein "ESFJ" (Kategorie "Wächter"; soll sein: hilfsbereit, fürsorglich, beliebt).
Das ist eine viel zu grobe Einteilung!
Wieso glauben Menschen das?
Da gibt es einen Effekt, den auch die Astrologie nützt! Das ist der sogenannte "Barnum-Effekt". Das ist die Neigung von Menschen, vage und allgemeingültige Aussagen über die eigene Person so zu interpretieren, dass sie als zutreffende Beschreibung empfunden werden.
Es wird eine Beschreibung geliefert, die für "jeden Geschmack" etwas bieten sollte.
Der US-amerikanische Psychologe Bertram R. Forer beschreibt ein 1948 durchgeführtes Experiment, in dem er seine Studenten einen Persönlichkeitstest absolvieren ließ. Anschließend händigte er jedem als Testergebnis eine persönliche Charakterbeschreibung aus und forderte sie dazu auf, den Wahrheitsgehalt dieser Auswertung auf einer Skala von 0 ("mangelhaft") bis 5 ("perfekt") zu bewerten. Der Durchschnitt lag bei 4,26 Punkten, die Auswertung wurde also mehrheitlich als sehr gut zutreffend gewertet.
Tatsächlich hatte Forer den Test überhaupt nicht ausgewertet, sondern sämtlichen TeilnehmerInnen dieselbe Charakterisierung als angebliches Ergebnis ausgehändigt, die er angelehnt an eine frühere Studie so konstruiert hatte, dass sie möglichst universell zutreffend sein sollte. Und es war genau diese Beschreibung (hier gekürzt), die ich Ihnen am Anfang gegeben habe (als ich Ihre Gedanken "gelesen" habe).
Warum ist das Blödsinn?
Und wie kann man als Laie unwissenschaftliche Tests erkennen?
Es gibt ein paar Dinge, auf die man achten kann:
1. Multi-Dimensional: Ein wissenschaftlicher Test ist multi-dimensional. Wir messen in der Psychologie Persönlichkeit auf mehreren Dimensionen gleichzeitig.
Beim Klassiker (sehr gut überprüft) gibt es 5 große Persönlichkeitsdimensionen, in denen sich Menschen unterscheiden und die getrennt voneinander existieren und die man getrennt voneinander messen muss:
- Offenheit
- Gewissenhaftigkeit
- Extraversion
- Verträglichkeit
- Neurotizismus // Stabilität
2. Skala: Bei wissenschaftlichen Persönlichkeitstests wird mit Skalen gearbeitet. Unwissenschaftliche Einteilungen arbeiten mit Kategorien wie Farben (und nicht auf einer Skala).
Und auf jeder Dimension gibt es in der Regel ein Kontinuum. Das heißt, es gibt eine sehr feine, normierte Auswertung:
t-Werte = Skala von 0 bis 100. 50 = Durchschnittswert. Die meisten Menschen haben einen Wert zwischen 35 bis 65. Nur 7 % aller Personen haben einen Wert, der darüber oder darunter liegt.
Ein guter wissenschaftlicher Test kann tatsächlich sehr, sehr fein messen. Zum Beispiel: Auf der Skala "Gewissenhaftigkeit" kann man unterscheiden, welche Menschen einen Wert von 55 und welche Menschen einen Wert von 56 haben. Auch dieser feine Unterschied macht schon etwas aus.
Denken Sie z.B. auch an IQ-Tests, wo es die IQ-Werte gibt. Da ist die Skala theoretisch nach unten und oben offen. 100 = Mittelwert. Aber in der Psychologie wissen wir: Ein IQ von 85 bis 115 ist "normal". Aber es gibt nicht nur "schlau" und "dumm" sondern sehr feine Messungen dazwischen. Es gibt mehrere Dimensionen von Intelligenz.
3. Lange Dauer: Wissenschaftliche Tests sind in der Regel recht lange. Um beispielsweise die Big 5 zu messen, kann man den NEO-PI-R heranziehen, der 240 Items hat und hier braucht man durchschnittlich 35 min. Oder der BIP: 15 A4-Seiten mit Fragen.
Ja, es gibt auch Kurzversionen, aber diese messen dann nicht so genau. Wenn Sie einen Persönlichkeitstest ausfüllen und nach 5 min. fertig sind, weil es sich z.B. nur um eine Seite mit 20 Fragen handelt, dann können Sie davon ausgehen, dass das nicht wissenschaftlich ist.
Wenn Sie jemanden kennen, der gerne seltsame Persönlichkeitstests macht oder einsetzt, dann freue ich mich über eine Weiterempfehlung! Wenn Sie möchten, können Sie auch gerne einen Kommentar hinterlassen!
Und noch ein kleiner Tipp zum Schluss: Schauen Sie gerne vorbei unter: www.PioniereDerPraevention.com . Da gibt es die Online-Akademie mit einer Kurs-Bibliothek mit wissenschaftlichen, psychologischen Impulsen. Außerdem ist sie ein Netzwerk für ExpertInnen in der betrieblichen Prävention.
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
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