Führungsarbeit erzeugt Stress. Bewusstsein schafft Erleichterung.
Führungskräfte, vor allem in Sandwich-Positionen, erleben in ihrem Arbeitsalltag häufig eine Vielzahl von psychischen Belastungen. Im Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer Oberösterreich zeigt sich seit Beginn der Messung vor 20 Jahren, dass leitende Angestellte unter höherem psychischem Stress leiden als einfache Angestellte. Offen darüber zu sprechen fällt vielen jedoch schwer und wird von einigen als Schwäche ausgelegt.
Psychische Arbeitsbedingungen sind jedoch vollkommen normal und gerade Führungsarbeit bringt typische Belastungen mit sich.
Emotionale Arbeit
Als Führungskraft steht man, bewusst oder unbewusst, im Fokus der Mitarbeiter. Emotionsarbeit ist daher tagtäglich gefragt. Bei einem unterstützenden Führungsstil ist es nicht angebracht, alle Emotionen und Gedanken sorg- und planlos in die Welt hinauszurufen. Die meiste Führungskräfte versuchen daher im Umgang mit den Mitarbeitern höflich zu sein, Interesse zu zeigen und leisten so Emotionsarbeit. Auch wenn sie gerade einen schlechten Tag haben, versuchen sie es nicht an ihren Mitarbeitern auszulassen. Und das kann anstrengend sein. Man kann es vergleichen mit der emotionalen Leistung, die Verkäufer vor Kunden leisten müssen.
Immer wieder sind Führungskräfte zusätzlich in der Position, dass sie nicht alle ihnen bekannten Informationen an ihre Mitarbeiter weitergeben dürfen. Das kann den Grund haben, dass Personaländerungen noch nicht final unterschrieben sind, bei Umstrukturierungen die Mitarbeiter nicht verunsichert werden sollen oder Verhandlungen nicht durch Gerüchte gestört werden sollen. Für Führungskräfte kann das sehr belastend sein, vor allem, wenn sie sonst ein offenes Verhältnis mit ihren Mitarbeitern pflegen.
Dieser Rollenkonflikt ist auch bei harten Entscheidungen wie Kündigungen oder dem Verteilen von Bonuszahlungen ein Stressfaktor.
Auch sind Führungskräfte oft Ansprechpartner, wenn es darum geht Konflikte in ihrem Team zu klären. Dabei die Balance zwischen neutraler Mediation und Mensch mit persönlichen Sympathien zu halten ist oft anstrengend und kann nicht immer gelingen.
Hohe Verantwortung
Verantwortung übernehmen zu können und die Auswirkungen des eigenen Handelns zu sehen ist grundsätzlich für die Psyche positiv. Aber zu viel des Guten ist hingegen Gift.
Führungskräfte müssen konkrete Ziele und Zahlen erreichen und werden oft von ihren Vorgesetzten für die Leistung ihrer Mitarbeiter verantwortlich gemacht. Der Einflussfaktor ist jedoch enden wollend. Und für etwas verantwortlich zu sein, was man nur begrenzt beeinflussen kann, kann stressen. Für 19% der Führungskräfte ist diese Verantwortung für Umsatz oder Gewinn eine sehr große bis große Herausforderung. (Quelle: arbeiterkammer.at)
Rein rechtlich haben die Führungskräfte auch Verantwortung für die Gesundheit und Sicherheit ihrer Mitarbeiter. Dazu gehören das Bereitstellen der Arbeitsmittel oder persönlicher Schutzausrüstung, das Organisieren von passenden Arbeitsabläufen und das Herstellen von guten Arbeitsbedingungen für die Psyche. Aber man muss auch sicherstellen, dass alle Mitarbeiter alle Sicherheitshinweise verstanden haben und sich auch dementsprechend verhalten.
Aus Sicht der Abteilung oder des Teams sind Führungskräfte auch der Schlüsselfaktor für das Teamklima und die sozialen Arbeitsbedingungen.
Das ist eine Menge Verantwortung für eine Person!
Arbeitsbelastung
Oft steigt die Arbeitsmenge, wenn man eine Führungsrolle übernimmt. Leider ist es in vielen Organisationen üblich, dass vor allem in den unteren Hierarchieebenen Führungskräfte einfach neben ihrer fachlichen Aufgaben zusätzlich Führungsaufgaben übernehmen. Der Zeitdruck nimmt also zu und ein hohes Maß an Selbstmanagement ist notwendig. Dennoch machen 37% der Führungskräfte häufig und weitere 42% gelegentlich Überstunden um ihr Pensum zu schaffen (Quelle: arbeiterkammer.at).
Im Hernstein Management Report 2015 wurden 1.500 Personen befragt, ob sie administrative Unterstützung erhalten. Und hier wird der große Unterschied zwischen dem oberen und dem unteren Management klar. Über eine eigene Assistenz dürfen sich 43% im oberen Management freuen, wohingegen 49% des unteren Managements nicht einmal Praktikanten zur Unterstützung haben.
Datenquelle: https://www.hernstein.at/newsroom/management-report/
Wenig Anerkennung
Eine weitere psychische Belastung stellt für viele Führungskräfte die geringe Wertschätzung ihrer Tätigkeit dar. Sie ziehen zwar oft aus den spannenden, herausfordernden Aufgaben ihre Kraft, aber von anderen Personen bekommen sie selten ein „Danke“ oder explizites Lob für ihre Arbeit.
Gerade das ist jedoch ein zentraler Einflussfaktor für die psychische und auch körperliche Gesundheit!
Personalauswahl
Viele der 400.000 Führungskräfte in Österreich werden immer noch nur aufgrund fachlicher Leistungen („Bester Verkäufer wird Vertriebsleiter“) oder aufgrund des Senioritätsprinzips ausgewählt.
Das kann leicht dazu führen, dass die Person mit ihren Kompetenzen und Bedürfnissen eigentlich nicht als Führungskraft geeignet ist. Ein späteres Zurücktreten „in die zweite Reihe“ trauen sich dennoch wenige. Dann ist der Stress für alle vorprogrammiert. Die Führungskraft mag die Rolle eigentlich nicht, ist überfordert und die Mitarbeiter leiden auch darunter.
Auf der zweiten Seite übernehmen neue Führungskräfte meistens ein „fertiges“ Team. Aber können sie dann auch Personal selbst einstellen? Oder Mitarbeiter kündigen? Das ist vor allem in großen Organisationen oder in unteren Führungsebenen gar nicht selbstverständlich. Oft ist es „Führen ohne Macht“.
Fazit
Als Führungskraft dürfen Sie auch Schwächen haben und zeigen. Das ist nur menschlich! Aber seien Sie sich Ihres Handlungsspielraums bewusst. Sie sind nicht Opfer der Rahmenbedingungen. Sie können auch ganz schön viel verändern, wenn Sie nur wollen!
Wenn Sie sich ihrer Stressfaktoren bewusst sein, setzen Sie auch gezielte Maßnahmen dagegen. Optimieren Sie Arbeitsabläufe, delegieren Sie an die Leistungsträger im Team und sagen Sie Ihren Vorgesetzten klar, was Sache ist! Ohne Kommunikation keine Verbesserung.
Sehen Sie auch Ihre Karriereoptionen und die übertragene Verantwortung als „Belohnung“ für die harte Arbeit.
Links
- Führungskräfte als Schlüssel bei psychischen Belastungen: http://www.apjakl.at/index.php/blog/item/139-2018-02-hrweb-fk-als-schlussel
- Handlungsspielraum – zentrale für psychische Gesundheit: http://www.apjakl.at/index.php/blog/item/119-2017-05-hrweb-handlungsspielraum
- Nutzen Sie Ihre Spielräume! Führen heißt Verbessern: http://www.apjakl.at/index.php/blog/item/101-2016-fhv-spielraeume
- Fehler zugeben als Führungskraft – niemals! http://www.apjakl.at/index.php/blog/item/71-2016-fehler-fuehrungskraft
Originalartikel auf www.hrweb.at
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
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