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Magazin "Gesund & Fit": Arbeiten während Covid-19 in systemrelevanten Berufen

Magazin "Gesund & Fit": Arbeiten während Covid-19 in systemrelevanten Berufen GESUND&FIT-Magazin vom 18.04.2020

Menschen in systemrelevanten Berufen arbeiten auf während Covid-19 weiterhin im Kunden- und Patientenkontakt. Gerade hier ist die psychische Gesundheit relevant um Überforderung vorzubeugen! Das GESUND&FIT-Magazin hat dazu Veronika Jakl interviewt.

Hier der gesamte Artikel des Magazins vom 18. April 2020:

Psychische Gesundheit ist in Krisensituationen wie diesen ebenso wichtig wie körperliche. Deshalb sind klare Maßnahmen in systemrelevanten Berufen von großer Bedeutung, um den Stresspegel niedrig zu halten und Überforderung vorzubeugen.

Viele arbeitende Menschen haben – wo möglich – wegen der Corona-Krise schon auf Homeoffice umgestellt. Doch es gibt auch Arbeitskräfte wie Ärzte, Supermarktmitarbeiter oder Pflegefachkräfte, die weiterhin das System am Laufen halten müssen. Genannt wird diese Gruppe systemrelevant bzw. systemerhaltend, denn sie ermöglichen eine Versorgung trotz Notsituationen. gesund&fit hat mit Arbeitspsychologin Mag. Veronika Jakl gesprochen und Tipps bekommen, wie man in systemrelevanten Berufen den Stresspegel möglichst niedrig hält und was man im Arbeitsalltag beachten sollte.

Klare Regeln geben Sicherheit

In der momentanen Ausnahmesituation ist klar, dass der Patienten- bzw. Kundenkontakt sehr emotional werden kann. Die Arbeitspsychologin Mag. Veronika Jakl rät deshalb zu klaren Regeln für die Beschäftigten: „Wie sollen wir damit umgehen, wenn wir von Kunden beschimpft werden? Wie sollen wir mit ungeduldigen Patienten umgehen? Was muss man sich gefallen lassen? Was nicht mehr? Das heißt, wo werden Grenzen gezogen? Klare, für alle gleiche Regelungen sind wichtig, damit Mitarbeiter sich nicht allein gelassen fühlen und auch jeweils in gleicher Art und Weise reagieren können. Das schafft Sicherheit!“ Zusätzlich helfen Gespräche im Team, wie die letzten Tage gelaufen sind und mit welchen Maßnahmen man Stress einfach und effektiv reduzieren kann.

Aktives Beeinflussen

Ist die Angst vor der Ansteckung groß, dann hilft es meistens nicht nur, die allgemeinen Hygienemaßnahmen zu befolgen, sondern auch persönliche Regeln zu setzen: „Überlegen Sie bewusst, welche
Maßnahmen Sie persönlich setzen können, um das Infektionsrisiko so gut wie möglich zu reduzieren. Die richtige Handhabung von Schutzausrüstung wie Masken oder Handschuhe oder auch das Einhalten von Mindestabständen sind wichtig. Dabei geht es auch darum, dass das aktive Beeinflussen einer Situation relevant ist für die Psyche. Sie zeigen sich selbst, was Sie alles unter Kontrolle haben“, so die Psychologin. In den Pausen sollte man die physische Distanzierung nicht mit sozialem Abstand verwechseln, denn es ist äußerst wichtig, mit den Kollegen auch in Krisensituationen nette und lustige Momente zu teilen. Jakl rät außerdem: „Achten Sie auch darauf, wie es den anderen gerade geht oder ob sich deren Launen stark verändern. Und halten Sie Kontakt mit Kollegen, die gerade nicht vor Ort arbeiten, wegen Kinderbetreuung oder Homeoffice. Auch wenn es momentan schwerfällt, helfen Gespräche über positive Dinge, um die psychische Gesundheit aufrechtzuerhalten – und die ist genauso wichtig wie die körperliche. Und denken Sie daran: Die Bevölkerung ist Ihnen wirklich dankbar für Ihre tägliche Arbeit!“

Wie beuge ich eine Überforderung vor?

Mag. Veronika Jakl: Zuerst: Nehmen Sie bewusst Ihre Gefühle wahr. Fragen Sie sich, was genau Sie jetzt mehr als sonst stresst. Und reden Sie aktiv mit Ihrer Führungskraft darüber. Sprechen Sie Ihre Sorgen an. Machen Sie trotzdem Pausen, auch wenn gerade jetzt viel zu tun ist. Wenn Sie erkranken oder wegbrechen, hat niemand etwas davon. Versuchen Sie alte Routinen oder normale Arbeitsabläufe soweit wie möglich aufrechtzuerhalten. Wenn Sie mit jemandem Neutralen sprechen wollen, dann gibt es professionelle Adressen – zum Beispiel von www.psychologiehilft.at

Wie sollte ich mich Kollegen gegenüber verhalten?

Mag. Jakl: Verwechseln Sie physischen Abstand nicht mit sozialem Abstand. Schauen Sie darauf, dass Sie trotzdem lustige und nette Momente gemeinsam verbringen und lachen. Achten Sie auch darauf, wie es den anderen gerade geht oder ob und wie sich deren Launen stark verändern. Auch das Kontakthalten mit Kollegen, die momentan ihre Kinder betreuen oder Homeoffice betreiben, ist in so einer Situation wichtig.

Wie beschäftige ich mich am besten in den Pausen?

Mag. Jakl: Wenn Sie viel Kunden- oder Patientenkontakt in Ihrem Job haben, dann gilt – wie vorher auch schon: Machen Sie Pausen abseits vom Blick der Kunden und vielleicht sogar allein, wenn Sie die Kollegen gerade nicht aushalten. Das ist in Ordnung! Reden Sie in der Pause über andere Dinge als die Corona-Krise und lesen Sie nicht ständig Nachrichten. Natürlich kann es auch entlastend sein, sich laut über Kunden oder Patienten zu ärgern, aber schauen Sie darauf, dass es keine Negativspirale wird. Wenn man nämlich zu viel über stressige Dinge spricht, dann werden diese auch viel stärker wahrgenommen. Fragen Sie stattdessen die Kollegen, was diese so gerade zu Hause machen und wie sie den Feierabend verbringen. Vielleicht haben diese weitere gute Ideen!

Gibt es Tipps, um die Laune auch in solch schwierigen Situationen zu heben?

Mag. Jakl: Auch wenn es gerade schwerfällt: Reden Sie mit Ihren Kollegen über Positives. Hat die Situation irgendwelche Vorteile? Zum Beispiel: weniger Kunden zu Mittag oder wirklich nur noch Notfälle in der Ambulanz, weil es die Leute vermeiden, dorthin zu kommen. Was läuft denn gerade gut? Ist der Zusammenhalt jetzt besser? Gibt es gute neue Abläufe, die Sie auch später noch beibehalten wollen? Und bedenken Sie immer, dass die Bevölkerung Ihnen gerade sehr dankbar für Ihre Arbeit ist!

Ein Interview von Alexandra Hahnenkamp.

Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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