Radio Ö1: Die Kunst der Mitarbeiter-Motivation abseits des Arbeitsalltags
Weihnachtsfeiern und Sommerfeste macht jeder. Aber viele Firmen machen auch teure Firmenevents, gemeinsame Sporteinheiten, Abendessen in feinen Restaurants oder karitatives Kochen für Bedürftige. Bringt das langfristig mehr Motivation?
Veronika Jakl wurde als Arbeitspsychologin befragt, was Beschäftigte wirklich nachhaltig motiviert. Welche Auswirkungen hat eine gelungene Veranstaltung? Worauf muss man in der Planung achten?
Zitate aus der Sendung
Veronika Jakl: "Ich glaube, dass die Firmen schon einerseits merken, dass sie hier einen großen Return-on-Investment haben. Das heißt jeder Euro, den sie reinstecken in solche Veranstaltungen, der kann sich durchaus doppelt und dreifach rentieren. Weil es hier weniger Krankenstände möglicherweise gibt. Weil MitarbeiterInnen motivierter sind. Wenn das gut organisiert ist, sind Firmen durchaus bereit zu investieren."
(Hinweis: Dieses Zitat bezog sich auf Programme der Betrieblichen Gesundheitsförderung und Prävention. Und nicht auf Floßfahrten und Lagerfeuer wie der Sendungszusammenschnitt vermutet ließe.)
Ö1: Die 33-jährige Veronika Jakl ist Arbeitspsychologin in Wien. Sie berät Ministerien, Sozialversicherungsträger und Unternehmen in der Schwerindustrie.
Veronika Jakl: "Die klassische Weihnachtsfeier und das Sommerfest ist etwas, was in de facto allen Firmen etabliert ist. Und ansonsten kommen die Leute hin in der Früh zum Arbeiten und am Nachmittag einfach wieder heim. Was darüber hinausgeht ist von der Firmenkultur abhängig. Ob die Geschäftsführung hier dahinter ist oder der Betriebsrat oder auch die Beschäftigten selbst."
Ö1: Die Spielarten, mit denen man versucht Mitarbeiter außerhalb des Arbeitsalltag zu motivieren, sind unerschöpflich, meint Veronika Jakl.
Veronika Jakl: "Kreativ fand ich bei einer Firma, die haben ein so genanntes 'Lunch Bingo' gemacht. Man konnte hier seinen Namen reinwerfen. Und einmal die Woche wurden vier Namen rausgezogen. Und die wurden dann auf ein gemeinsames Mittagessen eingeladen um diesen abteilungsübergreifenden Austauch zu stärken. Da gibt's Programm wo einzelne Leute ausgebildet werden zu so etwas wie Turnlehrern. Die treffen sich dann einmal pro Stunde am Gang, haben dann dort zum Beispiel ein paar Bälle oder auch so Strechbänder, wo es dann einfach darum geht sich einfach ein bisschen mehr zu bewegen als einfach nur am Computer zu sitzen.
Veronika Jakl: "Einfach nur gemeinsam irgendwo hinzufahren, man geht gemeinsam in den Kletterpark oder fährt fast gemeinsam auf Urlaub, hat an sich noch überhaupt keinen langfristigen Effekt. Also das bringt weder mehr Motivation noch im Endeffekt mehr Erfolg als Firma."
Ö1: Von Mitarbeiterevents wie Kick-off-Meetings, Auftaktveranstaltungen am Beginn eines Projekts oder Betriebsausflügen hält Arbeitspsychologin Veronika Jakl nur dann etwas, wenn sie neben dem reinen Spaßfaktor auch einen positivem Effekt auf die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter haben. Wenn sie mit Unternehmen auf dererlei Veranstaltungen fährt, sieht sie sich in der Rolle einer Moderatorin. Im Anschluss an eine Teambuilding-Übung wie zum Beispiel dem gemeinsamen Einfangen einer Schafherde begleitet sie die Gruppenmitglieder dabei, das Erlebte zu reflektieren.
Veronika Jakl: "Da muss irgendwo ein Raum reserviert sein und dann gibt's Reflexionsfragen: Was ist mir aufgefallen bei dem Einfangen dieser Schafherde? Wer hat dann die endgültige Entscheidung getroffen über die richtige Lösung? Gab es jemanden, der sich gar nicht eingebracht hat? Sehr konkret, verhaltensorientiert. Wie sind wir vorgegangen? Um dann auch den Shift zu schaffen: Wie lösen wir denn Probleme im Arbeitsalltag? Wenn ich jetzt als Psychologin eine Gruppe begleite, dann versuche ich eben auch hier Beispiele aus deren Arbeitsalltag zu bringen. Ihr arbeitet beispielsweise normalerweise im Labor. Wie geht ihr denn im Labor damit um, wenn fehlerhafte Messungen passieren? Ist das ähnlich? Oder verhaltet ihr euch dann anders? Wie wollen wir denn in Zukunft, vielleicht anders, miteinander umgehen? Und diesen Transfer zu schaffen, da braucht es schon sehr viel gruppendynamisches Wissen. Weil ansonsten ist das eine einmalige Veranstaltung und es verändern sich aber die Stressfaktoren im Arbeitsalltag nicht."
Ö1: Immer beliebter bei Unternehmen, so Veronika Jakl, werden so genannte CSR-Projekte. CSR steht für Corporate Social Responsibility. Auf Deutsch etwa: Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung.
Veronika Jakl: "Also eben so dieses gemeinsame Kochen für Bedürftige oder auch dieses Unterstützen in Flüchtlingsunterkünften oder auch gemeinsames Spendensammeln, wo dann vielleicht auch die Führungskräfte oder Kollegen bemerken und sagen: 'Oh, ich wusste gar nicht, dass du so gut kochen kannst.' Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels setzen hier viele Firmen darauf, hier ein positives Marketing nach außen explizit für Bewerber zu machen."
Eine Sendung von Jonathan Scheucher für Radio Ö1. Ausgestrahlt am 5. März 2019.
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
Related items
- Brandschutz psychologisch betrachtet - Interview durch Christian Lüthi (VBSF)
- Firmen beeinflussen? So geht's laut den Top-HR-Influencern Österreichs
- Wie kann KI die Prävention unterstützen? Reportage von "sicher & gesund 5.0"
- Warum ich mich selbst für den HR-Award nominiert habe
- Verhaltens- oder Verhältnisprävention? Kontinuum statt schwarz/weiß?