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HRweb.at: Die Macht des Schweigens in Trainings (auch Vorträge & Beratung)

Vielleicht denken Sie: "Wer schweigt, hat doch nichts zu sagen. Ich will doch eher klug auffallen bei meiner Kundschaft." Das stimmt aber nicht! Im Gegenteil: Schweigen ist ein wirksames, billiges Mittel um Aufmerksamkeit zu bekommen und um Leute zu fokussieren. Und dieses Mittel sollten Sie kennen!

Ein Artikel in "HRweb.at" von Veronika Jakl, erschienen am 29.04.2021

Wie man dieses Schweigen in der Beratungstätigkeit ganz bewusst nutzen kann, möchte ich anhand von vier Situationen zeigen:

1. Schweigen in Workshop oder Meeting nach offener Frage

Viele Menschen bekommen erst dann, wenn man schweigt, mit, dass sie wirklich etwas sagen sollen und dass das keine rhetorische Frage ist.

Beispiele

Beispiel 1: "Welche Maßnahme wäre denn hier sinnvoll, Ihrer Meinung nach?"

Wenn ich dann sofort weiterspreche und den Beschäftigten Ideen präsentiere, werden die Menschen ruhig und bringen sich nicht entsprechend ein. Und darum macht es Sinn, die Frage zu stellen und zu schweigen und zu warten. Aber das ist manchmal gar nicht so einfach.

Beispiel 2: "Was wollen Sie persönlich tun, um auch nach unserem Projekt psychische Belastungen zu reduzieren?"
an die Steuerungsgruppe nach einer Abschlusspräsentation einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Und niemand hat etwas gesagt. Ich habe dann auch geschwiegen. Und somit habe ich den Ball wieder zurückgespielt an die Steuerungsgruppe. Den Teilnehmenden war damit klar, dass das keine rhetorische Frage ist sondern tatsächlich eine Frage, die von ihnen beantwortet werden soll.

Ich habe den Eindruck, dass das Schweigen online in Webinaren noch stärker wirkt! Weil dort häufig durchgeredet wird und es seltener Pausen gibt. Und wenn man hier dann diese Pausen nach offenen Fragen bewusst einsetzt, ist das darum noch einmal deutlich wirkungsvoller.

Wenn länger geschwiegen wird, mache ich manchmal auch einen kleinen Scherz dazwischen (Ich summe eine Dumpdi-dumpdi-Melodie oder ich sage "Ich habe Zeit."), damit klar ist, dass hier von mir nichts mehr kommt und ich tatsächlich gerne eine Antwort hätte. So versuche ich deutlich zu machen, dass der Ball jetzt nicht bei mir liegt.

Während dem Schweigen passiert:

  1. Leute denken nach über die gestellte Frage
  2. Sie nehmen auch meinen Fokus wahr (nämlich, dass ich wirklich auf eine Antwort warte)
  3. Sie schätzen die Gruppendynamik ein (Wer startet? Wer sollte beginnen?)

2. Schweigen als Antwort nach persönlichem Angriff

Schweigen kann auch als Antwort eingesetzt werden. Es kommt immer mal wieder vor, dass z.B. Führungskräfte emotional reagieren. Beispiel: "Was soll das eigentlich? Warum wurde ich nicht eingebunden?"

  1. Möglichkeit: Ich, als Beraterin, könnte sofort "zurückschießen" (z.B. "SIE haben das Mail ja nicht gelesen. Das ist doch nicht meine Schuld.") Aber das würde sich dann wahrscheinlich hochschaukeln und für diese Situation nicht hilfreich sein.
  2. Möglichkeit: Die viel bessere Möglichkeit ist, eine Pause zu machen, tief durchzuatmen und dem Gegenüber tief in die Augen zu blicken. Einfach abzuwarten. Das spielt den Ball etwas zurück und gibt dem "Angreifer" Raum für nähere Erklärungen (Wieso ist das wichtig? Was will er/sie wirklich wissen?). Das nimmt dem Gegenüber auch Luft raus und beleuchtet den Hintergrund. Und es gibt mir wieder Macht und strahlt Klarheit aus.

3. Mächtig bei Vorträgen

Schweigen ist ein absolut mächtiges Instrument bei Vorträgen. Es fokussiert die Zuhörenden. Durch die Pause gibt man auch Zeit zum Verdauen und es verleiht dem Vorangegangenen viel mehr Gewicht. So eine Pause lässt dann auch Menschen hochschrecken, die gedanklich gerade wo anders waren.

4. Schweigen, um andere zu motivieren

Sie haben beispielsweise ein Erstgespräch. Dabei ist es wichtig, mehr Fragen zu stellen als Antworten zu geben. Viele Schweigeminuten von Ihrer Seite sind daher vorteilhaft. Versuchen Sie durch offene Fragen die Teilnehmenden ins Reden zu bekommen, damit Sie erfahren, was sich Ihr Gegenüber denkt oder gerne hätte, welche Bedürfnisse das Gegenüber im Hinterkopf hat, welche Erfahrungen es bereits mit dem Thema gemacht hat etc.

Und dazu setzte ich eben sehr gerne offene Fragen ein und schweige dann. Eine offene Frage kann z.B. lauten: "Was brauchen Sie?" Oder: "Wie wollen Sie mit mir arbeiten?" Und danach bin ich ruhig und lasse die Leute reden, damit diese über ihre eigene Situation und ihre eigenen Bedürfnisse sprechen können und ich das somit erfahren darf. Und das kann man dann verwenden, um in die motivierende Gesprächsführung zu gehen.

Selbst ausprobieren

Als Übung können Sie versuchen, demnächst mindestens einmal ein 3-sekündiges Schweigen bewusst in einem Gespräch einzusetzen, als Antwort oder als Fokussierung. Egal ob privat oder beruflich: Testen Sie einfach die Wirkung und die Reaktion.

Schreiben Sie gerne ein Kommentar, wie das Schweigen bei Ihnen funktioniert!
Oder schauen Sie vorbei in der Online-Akademie für Pioniere der Prävention – www.pionierederpraevention.com – wenn Sie sich mit mir austauschen wollen, wie Sie Ihre Beratungskompetenz noch steigern können.

Artikel von Veronika Jakl, erschienen in "HRweb.at" am 29.04.2021

Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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