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Radio Ö1: "Krise fördert Arbeits-unzufriedenheit"

Radio Ö1: "Krise fördert Arbeits-unzufriedenheit" ORF/Ö1

"Immer weniger Österreicher sind mit ihrer Arbeitssituation unzufrieden. Für die Arbeitspsychologin Veronika Jakl liegen die Gründe in den wirtschaftlich unsicheren Zeiten mit Kündigungswellen, Umstrukturierungen und geringeren Karriechancen."

Veronika Jakl im Gespräch mit Andrea Maiwald

 

Maiwald: "...und ich bin jetzt am Telefon mit der Arbeitspsychologin Veronika Jakl verbunden. Willkommen im Ö1-Mittagsjournal!"

Jakl: "Grüß Gott. Hallo!"

 

Maiwald: "Fr. Jakl, immer weniger Österreicher sind mit ihrem Job zufrieden. Überrascht Sie das?"

Jakl: "Das überrascht mich grundsätzlich nicht. Arbeitszufriedenheit ist von sehr viel Faktoren beeinflussbar und gerade in den heutigen Zeiten überrascht mich das nicht, dass die Arbeitszufriedenheit sinkt. "

Maiwald: "Zu wenig Geld, kein Karriere. Das frustriert schon zwei von drei Beschäftigten. Woran liegt es Ihrer Erfahrung nach? Sind die Erwartungen zu hoch?"

Jakl: "Nein, die Erwartungen sind grundsätzlich nicht zu hoch. Wir haben einfach seit einigen Jahren wirtschaftlich unsichere Zeiten und da passen sich natürlich auch Unternehmen an. Es gibt immer wieder Kündigungswellen. Es gibt immer wieder Umstrukturierungen, das Abteilungen aufgelassen werden, zusammengelegt werden. Dadurch verändern sich natürlich auch Karriereperspektiven. Und das macht natürlich auch dann unzufrieden."

 

Maiwald: "Besonders hoch ist diese Unzufriedenheit in der Gastronomie, aber auch vor allem in einem Bereich, der immer wichtiger wird: das Gesundheitswesen. Wird man da künftig genügend Pflegepersonal finden, wenn dieser Job als so unattraktiv empfunden wird?"

Jakl: "Also was man so hört ist, das das Pflegepersonal grundsätzlich zu wenig Personen hat, also das hier immer mehr Personen benötigt werden, auch aufgrund der Verschiebung der Alterspyramide. Und dann bleiben natürlich die Leute, die dort sind, immer unzufriedener zurück. Und das macht natürlich dann auch den Job nicht attraktiv für neue Personen. Das heißt man müsste sich als Arbeitgeber grundsätzlich überlegen, welche Arbeitsbedingungungen kann ich zur Verfügung stellen um junge, motivierte Leute anzuziehen um diesen Job attraktiver zu machen."

 

Maiwald: "Auch vielen Lehrlingen fehlt die Motivation. Sind junge Menschen den Anforderungen nicht mehr gewachsen, wenn sie beklagen, dass es an ihrer Lehrstelle nicht so zugeht, wie sie sich das erwartet haben? Oder liegt das eher an den Unternehmen?"

Jakl: "Ich glaub, dass das auf beiden Seiten ein Thema ist. Also einerseits muss man natürlich als junger Mensch auch erst mal ins Arbeitsleben hineinfinden. Aber das war schon immer so. Andererseits muss man natürlich auch als Unternehmen sehen, dass wenn man als Unternehmen wenig Lehrlinge nachbekommt, was man auch immer wieder hört, dass man auch hier die Leute, die drinnen sind, besonders hält und motiviert dazu weiterzumachen. Indem man eben offen mit ihnen kommuniziert. Das ist etwas, was heutzutage junge Menschen einfach sehr gewohnt sind. Transparenz in der Kommunikation ist ein großes Thema. Und da sehe ich immer wieder Unternehmen, die da hinterher hinken und das noch nicht so leben, wie das Jugendliche in ihrem Alltag gewohnt sind. Und dann kommt es natürlich zu Differenzen."

 

Maiwald: "Fr. Jakl, sie beraten Unternehmen, wie sie es besser machen können. Was können Sie Arbeitgebern wie auch Arbeitnehmern empfehlen, damit sie zufriedener sind?"

Jakl: "Also bei Arbeitgebern rate ich immer sehr stark dazu Transparenz zu leben, also offene Kommunikation, bei Entscheidungen klar zu sagen warum man sich wofür entschieden hat, warum man beispielsweise eine Umstrukturierung durchführen muss, damit die Leute das auch nachvollziehen können. Das heißt nicht unbedingt, das man Basisdemokratie überall einführen muss. Aber es geht darum zu zeigen, was sind die Entscheidungsgrundlagen gewesen. Dann muss man auch immer schauen als Arbeitgeber, wo kann ich Personen Entscheidungsfreiräume geben. Das ist auch etwas, was Arbeitszufriedenheit sehr erhöhen kann, wenn ich selbst gewisse Dinge entscheiden kann, wie ich Aufgaben erledige, wann ich Aufgabe erledige. Und dennoch muss ich als Arbeitgeber klare Ziele vorgeben, klare Prioritäten. Aber dann kann ich den Leuten in einem gewissen Rahmen die Möglichkeit geben flexibel selbsr zu entscheiden, wie sie es angehen. Und das ist auch was, was die Zufriedenheit erhöht."

 

Maiwald: "Es ist also nicht immer die Gehaltserhöhung, die was bewirken kann."

Jakl: "Nein, die Gehaltserhöhung ist etwas, was unserer Erfahrung nach eine kurze Motivationsspritze ist. Aber man gewöhnt sich dann auch an das neue Gehalt. Und wenn dann trotzdem die Kommunikation nicht passt mit dem Vorgesetzten, wird man trotzdem wieder unzufrieden sein. Das heißt, es ist meistens langfristig besser an diesen weichen Themen zu arbeiten, was natürlich auch manchmal anstrengender ist als mehr Geld herzugeben."

Maiwald: "Dann schauen wir alle, wie wir alle daran arbeiten können, wie wir zufriedener sind bei unserer Arbeit. Vielen Dank, Veronika Jakl, Arbeitspsychologin. Schönen Tag noch."

Jakl: "Ihnen auch, danke schön!"

 

Link zu Ö1: http://oe1.orf.at/artikel/430848

Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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