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HRweb: Gruppendiskussionen zum aktiven Stress-Abbau

Gruppendiskussionen sind eine beliebte Methode zur Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz. Die Mitarbeiter sind aktiv eingebunden und finden selbst passende Lösungen gegen ihre Stressfaktoren. Aber es gibt einige Stolperfallen, die Sie vorher als Moderator kennen sollten.

Gruppendiskussionen können bei der Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Belastungen vielfältig eingesetzt werden. Die meisten Instrumente erheben zuerst nur welche Stressfaktoren es gibt. Sie überlassen es dann dem Anwender Schlüsse daraus zu ziehen und Lösungen zu erarbeiten. Es gibt Verfahren, wie die ABS-Gruppe der AUVA, die die Ermittlung der Stressfaktoren und das Entwickeln von Lösungsideen in einem Halbtag auf einmal erledigen. Die Teilnehmer diskutieren zuerst, welche Arbeitsbedingungen in ihrer Gruppe herrschen und welche die Mehrheit als belastend empfindet. Danach werden Maßnahmenvorschläge überlegt und besprochen, welche Ergebnisse im Protokoll festgehalten werden sollen.

 

Gruppendiskussionen kann man auch gezielt nach einer schriftlichen Befragung einsetzen, um die Ergebnisse zu vertiefen und Maßnahmenvorschläge zu arbeiten.

Die Ergebnisse einer Gruppendiskussion werden meistens mit der zuständigen Führungskraft bzw. der Steuerungsgruppe besprochen, um die Lösungsvorschläge in die Tat umzusetzen.

Lesen Sie im HRweb-Artikel „Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz … in KMU & Kleinstunternehmen“, welches Messverfahren sich wann besonders gut eignet.

Vorbereitungen: Gut für die Teilnehmer und für den Moderator

Vor jedem Kleingruppenverfahren gibt es jedoch einiges zu bedenken und zu planen. Zunächst ist zu klären, welche Personen an der Gruppendiskussion teilnehmen sollen. Generell gilt die Empfehlung, dass es sich offener diskutiert, wenn nur Abteilungsmitarbeiter einer Hierarchieebene teilnehmen ohne die jeweilige Führungskraft. Das bedeutet nicht, dass die Abteilungsleitung ignoriert wird, sondern, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt eingebunden wird.

Eine Teilnehmeranzahl von maximal 12 Personen ist gut handhabbar von einem Moderator. 5 Personen sollten die Untergrenze sein, damit die Teilnehmer das Gefühl haben, nicht exponiert ihre Meinung abgeben zu müssen und um einen vielfältigen Eindruck von der Abteilung zu erhalten.

Auch der Zeitplan für die Gruppendiskussion und die Vorabinformation ist ein wichtiger Punkt vorneweg. Einfach einen Tag festzulegen und eine Mail an die Abteilung rauszuschicken mit der Info, dass die Personen am Dienstag von 08:00 bis 11:00 im Besprechungsraum sein sollen, wird zu keiner produktiven Diskussion führen. Klären Sie vorher mit der Abteilungsleitung ab, ob es bestimmte Tage gibt, die gar nicht möglich sind (z.B. weil da ein Jour-fixe stattfindet oder die Hälfte der Belegschaft im Home-Office arbeitet). So reduzieren Sie die Teilnehmer, die später kommen oder früher gehen „müssen“.

Auch macht es ein gutes Bild, wenn Sie vorher schon die Abteilungsleitung und alle eingeladenen Mitarbeiter darüber informieren, worum es in der Gruppendiskussion geht und wie der grobe Ablauf sein wird. Je mehr transparent informiert wird, desto eher sind die Mitarbeiter bereit sich zu beteiligen.

 

Mitarbeiter als Moderatoren – nur, wenn es gut durchdacht ist

Es ist eine spezielle Situation, wenn Sie als Mitarbeiter intern im eigenen Unternehmen Gruppendiskussionen in anderen Abteilungen moderieren. Sie kennen höchstwahrscheinlich schon die Teilnehmer und die dazugehörigen Führungskräfte, haben vielleicht regelmäßig miteinander zu tun und können daher nie vollständig neutral agieren.

Reflektieren Sie vorher Ihre eigene Haltung. Wie sind Sie an diese Rolle gekommen? War das freiwillig? Haben Sie schon Erfahrung in der Moderation von Gruppenprozessen?

Zur professionellen Haltung gehört auch, dass man Gruppenmoderationen ablehnt, wo man vorher schon Gewissenskonflikte spürt.

Beispiel: Es ist de facto sinnlos, die Gruppendiskussion in der eigenen Abteilung zu moderieren. Sie müssten neutral Ihre Kollegen fragen, wie die Arbeitsbedingungen sind und sich selbst nicht inhaltlich einmischen. Sie sind hier klar Mitarbeiter, haben auch das Recht sich um Ihre eigenen psychischen Belastungen zu kümmern und dabei von einem neutralen Moderator begleitet zu werden.

Überlegen Sie sich auch vorab, ob Sie wirklich alle Gruppen selbst moderieren möchten. Es kann unangenehm sein, wenn Sie selbst früher in einer anderen Abteilung gearbeitet haben oder mit einer Abteilung oft zu tun haben, aber es oft Konflikte in der Zusammenarbeit gibt.

Denken Sie daran, dass Sie dann auch den jeweiligen Vorgesetzten der zu moderierenden Gruppen die Ergebnisse rückmelden werden. In den meisten Fällen werden Sie negative Arbeitsbedingungen und Stressfaktoren ansprechen. Es kann sein, dass der Führungsstil durch die Mitarbeiter kritisiert wird. Um das wertschätzend besprechen zu können, ist Kommunikation auf Augenhöhe erforderlich. Können Sie das bei allen Gruppen leisten?

Beispiel: Die Personalentwickler eines größeren Industriebetriebs entscheiden, dass sie nach entsprechender Ausbildung die Gruppendiskussionen selbst moderieren werden. Bei den ersten Workshops in den Verkaufsstandorten klappt dies sehr gut. Doch die Personalentwickler entscheiden, dass sie in der Zentrale nicht alle Workshops selbst moderieren können. Die Gruppe der Abteilungsleiter steht beispielsweise hierarchisch klar über ihnen. Obwohl die Personalisten im Unternehmen einen guten Ruf haben, können sie sich nicht vorstellen, die Stressfaktoren der Abteilungsleiter mit der zuständigen Direktorin zu besprechen. Sie entscheiden sich daher für einzelne Workshops externe Moderatoren hinzuzuziehen.

Kalkulieren Sie vor jedem Workshop auch genügend Zeit ein: Organisation, inhaltliche Vorbereitung, Durchführung, Erstellung des Protokolls und Ergebnisbesprechungen werden oft unterschätzt.

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie die Evaluierung psychischer Belastungen selbst machen oder lieber auslagern sollen, gibt es hier Entscheidungshilfen: http://www.hrweb.at/2016/04/evaluierung-psychischer-belastungen-2/

 

Standard-Vorbereitung für jeden Moderator

Wenn Sie ein standardisiertes Verfahren einsetzen, wie die ABS-Gruppe oder einen Workshop, der auf Befragungsergebnissen aufbaut, sollten Sie diese Methoden natürlich auch beherrschen. Teilnehmer fragen oft zu Beginn kritisch nach, wie die statistischen Ergebnisse zustande kommen, wenn Fragebogenauswertungen präsentiert werden. Auch der Ablauf der Gruppendiskussion sollte sitzen, um dann nicht währenddessen den Faden zu verlieren. Womöglich sind am Ende die wichtigsten Themen immer noch nicht besprochen.

Klären Sie vorher gut ab, in welchem Raum Sie den Workshop leiten werden. Kann und soll der Workshop am Firmenstandort gemacht werden? Gibt es überhaupt Besprechungsräume, die sich dafür eignen?

Hier eine kleine Checkliste:

  • Gibt es einen Beamer im Raum oder kann ein mobiler Beamer organisiert werden?
  • Gibt es ausreichend Flipcharts und Pinnwände?
  • Sind die Tische mobil um gegebenenfalls Arbeitsgruppen bilden zu können?
  • Ist der Raum uneinsichtig für vorbeigehende Personen oder gibt es irgendwo Glaswände? Dies wird oft als unangenehm empfunden, wenn dann Stressfaktoren auf Plakaten beschrieben werden.
  • Sind die Moderationsmaterialien (Stifte, Kärtchen, Pinnnadeln, …) im Raum vorhanden oder muss der Moderator sie mitbringen?

Wie viele Personen werden am Workshop teilnehmen? Fünf bis 12 Personen bilden eine gute Diskussionsgruppe. Mit einer vorab zugeschickten Teilnehmerliste können Sie gleich zu Beginn des Workshops feststellen, ob alle angemeldeten Personen auch schon anwesend sind und sie anfangen können. Informieren Sie sich auch schon mal grob über die Aufgaben der Personen, damit Sie dann im Workshop schneller auf die spezifischen, psychischen Arbeitsbedingungen eingehen können.

Bei jedem Projekt und jeder Gruppendiskussion können auch spontan Schwierigkeiten auftreten. Neben der gründlichen Vorbereitung schützt auch eine Portion Improvisationstalent vor Stolperfallen.

Im Zweifel: Sprechen Sie die Schwierigkeiten offen vor der Gruppe an und überlegen Sie gemeinsam wie Sie gemeinsam das Beste aus der Gruppendiskussion rausholen!


Links

  1. Informationen der AUVA zum Messverfahren ABS-Gruppe
  2. ArbeitnehmerInnenschutzgesetz in geltender Fassung
  3. YouTube-Playlist zu Psychischen Belastungen
  4. FAQ des Arbeitsinspektorats zur Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen
  5. HRweb-Serie „Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz“

Artikel erschienen am 30.08.2016 auf HRweb.at

Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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